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Hawala: Banking in der Schattenwelt

In den Medien finden sich mehr und mehr Berichte über Durchsuchungen der Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit sogenanntem „Hawala-Banking“. Auch die BaFin richtet ihren Fokus bei der Bekämpfung unerlaubter Geschäfte und der Geldwäscheprävention stärker auf diese Transfersysteme.

„beleglos, kontolos und banklos“

Hawala ist ein seit Jahrzehnten weltweit genutztes informelles und vertrauensbasiertes Zahlungsverfahren. Es funktioniert nach dem „System der zwei Töpfe“ – also ohne eine unmittelbare Transaktion von Geldern – über Mittelsmänner, die sogenannten Hawaladare.

Diese agieren ohne staatliche Zulassung und Aufsicht. Das System ist schlagwortartig „beleglos, kontolos und banklos“ und basiert auf Vertrauen und Verschwiegenheit. Die Nutzung regulierter Finanztransferdienstleister wird vermieden und jede staatliche Kontrolle umgangen, was die Aufdeckung der entsprechenden Strukturen erschwert.

Die Netzwerke sind international, von unterschiedlicher Größe und meist arbeitsteilig und hierarchisch aufgebaut. Das System wird in aller Regel von ethnisch verbundenen Personengruppen genutzt, die sich diesbezüglich strikt abgrenzen und Transfers nur für Zugehörige anbieten.

Hawala – Funktionsweise (Grundstruktur)

Hawala – Funktionsweise (Grundstruktur) (c) BaFin

Ein Zahler, der einen Geldbetrag transferieren möchte, übergibt diesen bar in einer Einzahlungsstelle an seinen örtlichen Hawaladar („Topf 1“). Diese Stellen sind oft in Gewerbebetrieben untergebracht, wie etwa Kioske, Restaurants, Juwelierläden und Ähnliches. Der Hawaladar nimmt Kontakt zu dem am Auszahlungsort im Ausland ansässigen Hawaladar („Topf 2“) auf und teilt den auszuzahlenden Betrag sowie einen Code für die Auszahlung mit. Diesen Code erhält auch der Zahler zur Weiterleitung an den Empfänger, um diesen für den Erhalt des Geldes zu legitimieren. Der Hawaladar am Auszahlungsort händigt dem Empfänger den Geldbetrag aus – ebenfalls in bar und in der Regel in der jeweiligen Landeswährung. Ein direkter Bar- oder Buchgeldfluss zwischen Topf 1 und Topf 2 findet nicht statt.

Der Ausgleich der Töpfe

Wenn aus einem Land mehr Geld abfließt als zurück transferiert wird, ergibt sich ein „Gefälle“ zwischen den Töpfen. Damit kommt es zu Liquiditätsengpässen und das Ungleichgewicht zwischen den Töpfen muss ausgeglichen werden. Für diesen „Topfausgleich“ gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Ein direkter Ausgleich über Bargeldtransporte, bei denen große Summen mit dem Kraftfahrzeug oder im Flugzeug transportiert werden, oder mittels Buchgeldüberweisungen ist sehr riskant. Es droht ein Verlust des Geldes bzw. die Aufdeckung der Geschäfte, etwa im Rahmen von Grenzkontrollen oder Geldwäscheverdachtsmeldungen. Deshalb werden andere Möglichkeiten für den Topfausgleich gesucht. Dies geschieht zum Beispiel mittels aktiver Unternehmen, über die man Geldflüsse für Ausgleichszahlungen verschleiert. Dazu werden falsche Rechnungen über Scheingeschäfte oder tatsächliche Geschäfte mit überhöhten Preisen gestellt. Ein Hawala-Verrechnungskreis beinhaltet oft mehrere Beteiligte und die Verrechnungsmodelle sind beliebig erweiterbar. Geldflüsse zum Topfausgleich über lizenzierte Institute werden auch als legale Inlandsgeschäfte und damit Inlandstransfers getarnt. Hierzu werden etwa hochwertige Güter in Deutschland bestellt und ins Ausland geliefert. Die Rechnung wird jedoch aus Deutschland von einer dafür gegründeten GmbH beglichen. Die wahren Transferempfänger sind dabei für Außenstehende meist nicht erkennbar. Demgegenüber wurden in anderen Fällen Auslandsrückflüsse getarnt, indem etwa bestehende, zum Teil notleidende inländische Kredite durch Auslandzahlungen mit vorgetäuschtem Hintergrund, wie Erbfällen oder Immobilienverkäufen, bedient wurden.

Zum Teil wissen eingebundene Unternehmen von den tatsächlichen Hintergründen oder sind speziell zu dem Zweck gegründet worden. Es ist aber auch möglich, dass seriöse Unternehmen ohne ihr Wissen benutzt werden. Alle geschilderten Transaktionen zum „Topfausgleich“ können bei Bedarf auch in die entgegengesetzte Richtung verlaufen.

Hawala im täglichen Millionenbereich

Bekannt geworden sind bisher insbesondere Geschäfte im Bereich von Edelmetallen und Immobilien. Manche Hawala-Systeme werden trotz Verschleierung aufgedeckt. In einem Umfangsverfahren der Strafverfolger unter Beteiligung der BaFin erfolgte der Topfausgleich eines Hawala-Systems mit täglichen Transfers im Millionenbereich unter anderem über Goldgeschäfte mit mehreren Juwelierläden in Deutschland und eine eigene Goldscheideanstalt. Goldbarren wurden offiziell grenzüberschreitend zum Goldkurs ge- und verkauft, gelieferte Barren waren aber nur mit Gold ummantelt und damit nur einen Bruchteil der Rechnungsbeträge wert. Über die entsprechenden Rechnungen und Zahlungen konnte der jeweilige Topfausgleich verschleiert werden.

Die weltweiten Transfervolumina sind nicht messbar und daher nahezu unmöglich zu beziffern. Alle Staaten haben Schwierigkeiten, verwertbare Angaben zum Umfang von Hawala und ähnlichen illegalen Aktivitäten zu machen.

Hawala und andere alternative Überweisungssysteme werden vermehrt von Strafverfolgungsbehörden beobachtet und in Verbindung mit kriminellen Handlungen wie etwa Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Schleusung, Rauschgifthandel, Steuerhinterziehung, Schmuggel und Korruption gebracht. Die nicht nachvollziehbaren Papierspuren und das vollständige Umgehen des Know-your-Customer-Prinzips erleichtern es Kriminellen, Hawaladare für ihre Geschäfte zu nutzen und ermöglichen den schnellen Transfer von Vermögenswerten. Die Umgehung von Grenzkontrollen wird durch Hawaladare vereinfacht. In der Praxis können illegale Aktivitäten zum Beispiel im Zusammenhang mit der Herstellung von Drogen oder dem Menschenhandel über das Hawala-System bezahlt werden, ohne eine konkrete Spur zu hinterlassen, da keine Informationen über den Transfer erfasst werden.

Illegale Aktivitäten können jedoch auch in Verbindung mit der Finanzierung von Terrorismus stehen. Die hier verwendeten finanziellen Mittel können sowohl aus dem regulierten als auch aus dem illegalen Wirtschaftskreislauf stammen. Über Hawaladare gelangen diese Gelder dann an die verantwortlichen Stellen. Hawaladare können auch unwissentlich dafür ausgenutzt werden, terroristische Organisationen zu fördern, da in den meisten Fällen kaum mehr Angaben als für die Auszahlung nötig gemacht werden. Mögliche Rückschlüsse auf Sender und Empfänger der entsprechenden Vermögensgegenstände sind somit auch für die Hawaladare erschwert, da das System den obersten Grundsatz „Vertrauen und Verschwiegenheit“ verfolgt.

Auf einen Blick

Aufsichtsperspektive: Hawala ist ein Finanztransfergeschäft

Spezifische Gesetze zum Hawala-Banking gibt es nicht. Aufsichtsrechtlich ist Hawala-Banking ein Finanztransfergeschäft (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)). Diese Einstufung wurde mehrfach vom Bundesgerichtshof in Strafsachen (BGHSt) bestätigt (vgl. zum Beispiel BGH, Beschluss vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21).

Gemäß ZAG muss dabei Geld entgegengenommen und weitergeleitet oder verfügbar gemacht werden: Dies geschieht beim Hawala-Banking durch die auftragsgemäße Weiterleitung des Geldes an die Empfänger. Damit erfüllen Hawaladare ihre Verbindlichkeit gegenüber den Zahlern.

Es ist unerheblich, wie der Geldbetrag beim Finanztransfergeschäft übermittelt wird und ob der Dienstleister das Geschäft durch einen tatsächlichen Geldfluss oder durch Verrechnung ausführt. Entscheidend ist das wirtschaftliche Ergebnis des Finanztransfers – nämlich, dass die Empfänger das Geld vom Hawaladar erhalten.

Die BaFin geht auf der Grundlage der ihr zustehenden Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse (§§ 7 und 8 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)) gegen die Betreiber unerlaubter Finanztransfergeschäfte vor. Sie steht dabei im engen Austausch mit den Strafverfolgungsbehörden. Das Erbringen von Zahlungsdiensten ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis ist nach § 63 Absatz 1 Nr. 4, Absatz 3 ZAG strafbar und kann bei Vorsatz mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sowie bei Fahrlässigkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Anders als bei der Geldwäsche nach § 261 Strafgesetzbuch (StGB) kommt es auf eine rechtswidrige Herkunft der weitergeleiteten Gelder nicht an.

Das Hawala-Geschäft ist als solches auch nicht erlaubnisfähig. Die beleglose Durchführung von Zahlungstransfers ohne die jeweilige umfängliche Kundenidentifizierung ist ein eklatanter Verstoß gegen Geldwäscherichtlinien. Derartigen Geschäftsmodellen könnte daher weder in Deutschland noch in der EU eine Erlaubnis erteilt werden.

Schnittstellen zwischen Hawala und dem regulierten Wirtschaftskreislauf sind für Behörden wichtige Anlaufstellen, um die Aktivitäten von Hawaladaren ermitteln zu können. BaFin und Bundeskriminalamt leiten eine Arbeitsgruppe zum Hawala-Banking (Anti-Financial Crime Alliance), um Strategien gegen die Mechanismen illegaler Finanztransfers wie dem Hawala zu entwickeln.

Verfasst von Birgit Lendermann, Jens Münzer, Lora von Ploetz und Christian Schröder, BaFin – Abwicklung und Geldwäscheprävention

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