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2. Nachhaltigkeit
Das Thema ESG – also Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social, Governance) – war für die Unternehmen des Finanzsektors im Jahr 2024 weiter wichtig. Dieser Trend wird sich 2025 fortsetzen. Dabei spielen vor allem die Herausforderungen bei der Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels eine Rolle und mit ihm insbesondere die Zunahme physischer Risiken. Deshalb legt die BaFin einen besonderen Fokus darauf, wie beaufsichtigte Unternehmen mit physischen Risiken umgehen.
Klimarisiken: Über zwei Kanäle wirksam
Der Klimawandel wirkt zum einen über physische Risiken auf die Finanzbranche ein. Sie entstehen aus den konkreten Auswirkungen klimatischer Veränderungen, wie Extremwetterereignissen. Physische Risiken verursachen enorme finanzielle und Personenschäden und können sich beispielsweise auf Kreditportfolien von Banken oder auf Schadenssummen von Versicherern auswirken. Physische Risiken steigen tendenziell, da beispielswese die Erderwärmung weiter voranschreitet. Dies zeigte sich zuletzt an dem verheerenden Unwetter in Spanien im Herbst 2024.
Zum anderen wirkt sich der Klimawandel über transitorische Risiken aus. Abrupte Marktpreiskorrekturen können durch veränderte gesellschaftliche Anforderungen, klimapolitische Entscheidungen und technologische Innovationen entstehen. Ein konkretes Beispiel ist die Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes. Es formuliert höhere Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden. Dies hat potenziell Konsequenzen für die Bewertung von Immobilien und damit auch für deren Wert als Sicherheiten im Immobilienkreditgeschäft.
Unterschiedliche Schwerpunkte bei Banken und Versicherern
Der Stresstest 2024 von BaFin und Deutscher Bundesbank bei weniger bedeutenden Instituten (Less Significant Institutions- LSIs) und eine 2024 durchgeführte BaFin-Umfrage zum Umgang von LSIs und Versicherungsunternehmen mit den finanziellen Folgen von Klimarisiken zeigen, dass Banken physische und transitorische ESG-Risiken zwar bereits als Risikotreiber in der Risikoinventur berücksichtigen. Allerdings sehen die Banken bisher keinen materiellen Einfluss auf die wesentlichen Risikoarten.
In der gleichen BaFin-Umfrage gaben Versicherungsunternehmen an, dass sie ihren Schwerpunkt überwiegend auf physische Risiken legen. Dies deckt sich mit empirischer Evidenz: Seit einigen Jahren steigen die Schadenaufwendungen aufgrund von Naturkatastrophen. Transitorische Risiken schätzen die Versicherer vor allem im Hinblick auf die Kapitalanlage als relevant ein. Im Gegensatz zu den Banken haben bei Versicherern physische Risiken nach ihrer Selbsteinschätzung meist einen materiellen Einfluss auf die wesentlichen Risikoarten.
Die BaFin gibt physischen Risiken in der Aufsicht mehr Gewicht
Die BaFin hat sich intensiv mit physischen Risiken am deutschen Finanzmarkt auseinandergesetzt (siehe Abbildung 17). Sie hat zum Beispiel ausgewählte Banken und Versicherungen untersucht, die durch Extremwetter, Lieferkettenabhängigkeit oder konzentrierte Kredit- und Marktrisiken besonders gefährdet sind. Die beaufsichtigten Unternehmen haben demnach grundsätzlich Fortschritte beim Management ihrer Nachhaltigkeitsrisiken gemacht. Es gibt aber noch Verbesserungspotenzial.
Herausforderungen bestehen etwa bei der Integration und Verarbeitung von granulareren Daten zu physischen Klimarisiken. So müssen Banken und Versicherer auf mehrere Informationsquellen zurückgreifen, um einzelne Naturgefahren zu bewerten. Insbesondere Banken stehen hier noch am Anfang und konzentrieren sich derzeit auf den Aufbau der Datengrundlage. Die ESG-Scores, die sie bei der Kreditvergabe nutzen, haben zum Teil eine relativ geringe Aussagekraft.
Abbildung 17: Physische Gefahren führen zu Risiken für den Finanzsektor
Quelle: BaFin-eigene Darstellung, Stand: Dezember 2024
Banken und Versicherer sind teilweise durch Risikotransfers stark miteinander verbunden, insbesondere bei der Immobilienkreditvergabe und beim Schutz der besicherten Immobilien vor Naturgefahren. Die Einschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten und möglichen Schäden sowie die künftige Versicherbarkeit bleiben bei Klimarisiken schwierig, da sich die Risikolage verändert und historische Daten nur begrenzt aussagefähig sind. Der Hintergrund: Oft lagern Banken Risiken an Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen aus. Die Versicherer reichen die Risiken teilweise auch an den Kapitalmarkt weiter. Es ist in solchen Fällen kaum nachvollziehbar, wer letztlich die Risiken trägt.
Beaufsichtigte Unternehmen müssen sich aus Sicht der BaFin umfangreich mit den physischen Risiken befassen, denn hieraus können sich kurzfristig hohe Kosten auch für Banken und Versicherungsunternehmen ergeben.
Greenwashing: Informationen oft nicht verständlich
Durch Greenwashing kann das Vertrauen in einen funktionierenden Markt beeinträchtigt werden. Das Risiko für Greenwashing ist nach wie vor hoch, da es weiterhin keine eindeutigen Definitionen zu Nachhaltigkeitseigenschaften gibt. Bei bestimmten Investitionen wird kontrovers darüber diskutiert, ob sich diese für nachhaltige Produkte eignen. Dies betrifft zum Beispiel Investitionen in Rüstungsgüter. Die BaFin empfiehlt, solche Investitionen deutlich in Produkten hervorzuheben, die als nachhaltig beworben werden. Dies würde Irreführung vorbeugen.
Derzeit sind die offengelegten Informationen zur Nachhaltigkeitswirkung von Produkten und Dienstleistungen nicht immer verständlich genug. Dies zeigte eine nicht-repräsentative Stichprobe zur Offenlegung gemäß der EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR), welche die BaFin 2024 durchgeführt hat: Die beaufsichtigten Unternehmen formulierten die vorvertraglichen Informationen häufig allgemein und verwendeten nicht näher erläuterte Begriffe, um die Nachhaltigkeitseigenschaften zu beschreiben.
Zudem verwendeten sie häufig ESG-Ratings, um die Eignung der Unternehmen einzuschätzen, in welche investiert wird. Diese Ratings bewerten jedoch häufig die finanziellen Klima-Risiken eines Unternehmens – also inwiefern zum Beispiel der Klimawandel das Unternehmen selbst beeinträchtigen könnte. Ob das Unternehmen positiv auf Nachhaltigkeitsaspekte einwirkt, also selbst Bemühungen beispielsweise hinsichtlich des Klimaschutzes unternimmt, spielt bei den Ratings zum Teil höchstens eine untergeordnete Rolle.
Finanzmarktteilnehmer sollten ESG-Ratings daher nicht unreflektiert übernehmen. Sie müssen verstehen, was diese Ratings darstellen und inwiefern sie geeignet sind, die Nachhaltigkeitseigenschaften eines Finanzprodukts angemessen zu bewerten.
Wie die BaFin vorgeht
- Die BaFin wird sich auch im Jahr 2025 tiefergehend mit physischen Risiken befassen. Die Ergebnisse ihrer Umfrage bei LSIs und Versicherern wird sie unter anderem auf der dritten Sustainable Finance-Konferenz zur Diskussion stellen.
- Die BaFin wird außerdem analysieren, wie ausgewählte beaufsichtigte Unternehmen in der Risikoinventur mit physischen und transitorischen Risiken umgehen. Dabei wird sie auch untersuchen, welche Rolle die Anpassung an den Klimawandel und Umweltrisiken für die Unternehmen spielen. Zu den Umweltrisiken gehört auch der Verlust von Biodiversität.
- Die BaFin wird im Rahmen der laufenden Aufsicht sowie mittels Stichproben prüfen, wie die Unternehmen des Finanzsektors die Vorgaben der EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) erfüllen.
- Die BaFin wird ihre neuen Aufgaben in der Aufsicht gemäß der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD), welche noch in nationales Recht umgesetzt werden muss, ausüben.
- Die BaFin prüft, wie sie auch ihre prospektrechtlichen Befugnisse noch stärker nutzen kann, um Greenwashing zu verhindern – etwa, indem sie die Werbung für eine Emission von Wertpapieren untersagt, wenn diese falsche Angaben zur Nachhaltigkeit enthält.
- Die BaFin wird nationale, europäische und internationale Gremien dabei unterstützen, die Komplexität in der ESG-bezogenen Regulierung zu verringern und ihre Konsistenz zu stärken, etwa beim Thema Transitionspläne. Zugleich wird die BaFin Ideen im Hinblick auf praxistaugliche Offenlegungspflichten für Anlegerinnen und Anleger einbringen.
- Die BaFin wird Analysen zu Klimarisiken im Immobiliensektor durchführen.
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2. Risiken aus signifikanten Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten
3. Risiken aus dem Ausfall von Unternehmenskrediten
4. Risiken aus Cyber-Vorfällen mit gravierenden Auswirkungen
5. Risiken aus unzureichender Geldwäscheprävention
6. Risiken aus Konzentrationen bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen