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2. Nachhaltigkeit

Klimawandel und Umwelt, soziale Fragen und gute Unternehmensführung – aus diesem Themenkomplex können auch Risiken resultieren: für die Unternehmen des Finanzsektors und für Verbraucherinnen und Verbraucher.1

Umweltbezogene finanzielle Risiken sind mit zunehmender Unsicherheit über die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens tendenziell im Steigen, insbesondere bei Risiken durch physische Auswirkungen: Ein Beispiel sind Extremwetterereignisse. Solche Risiken können sich zum Beispiel auf Kredite beaufsichtigter Unternehmen, auf Schadenssummen bzw. auf die grundsätzliche Versicherbarkeit von bestimmten Risiken auswirken.

Transitionsrisiken bestehen, wenn die Märkte plötzliche Preiskorrekturen unterschätzen. Sie hängen zum Beispiel von technologischen Entwicklungen oder einem verändertem Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher ab. Wesentliche Einflussfaktoren sind das politische Ambitionsniveau und die Umsetzung entsprechender klimapolitischer Maßnahmen. In einem ungeordneten Szenario, in dem wirksame Maßnahmen eher spät, dafür aber mit umso größerem Handelsdruck getroffen würden, wären Transitionsrisiken besonders hoch.

Die BaFin behandelt Klima- und Umweltrisiken nicht als neue Risikoart, sondern als Risikotreiber entlang der etablierten Risikokategorien: Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, operationelle inklusive Haftungs- bzw. Reputationsrisiken, versicherungstechnische Risiken und strategische Risiken.

Nachhaltigkeit und dynamisches Aufsichtsrecht

Ziel der EU ist es, dass Europa bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Bereits bis zum Jahr 2030 sollen die Nettotreibhausgasemissionen Europas um mindestens 55 Prozent gegenüber denen des Jahres 1990 reduziert werden. Die EU-Kommission hat umfangreiche Gesetzespakete auf den Weg gebracht, um diesen „Green Deal“ umzusetzen. Viele Vorgaben betreffen auch den Finanzsektor. Ein Beispiel ist die EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR). Diese regelt seit ihrem Inkrafttreten im März 2021 die Offenlegungspflichten zum Thema Nachhaltigkeit für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberaterinnen und –berater. Damit sollen Anlegerinnen und Anleger auf eine fundierte Informationsbasis bei der Investition in Finanzprodukte mit Nachhaltigkeitsbezug bauen können. Derzeit lassen jedoch die umfassenden Offenlegungspflichten der SFDR Raum für unterschiedliche Auslegungen. Die EU-Kommission hat im November 2023 eine Konsultation gestartet, um die bisherigen Erfahrungen mit der SFDR auszuwerten und die Regelungen gegebenenfalls anzupassen.

Weitere neue Vorgaben für den Finanzsektor enthalten die Kapitaladäquanzverordnung und –richtlinie, die Taxonomie-Verordnung, die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD), sowie die Referenzwerte-Verordnung. Zusätzliche Regulierungsvorhaben sind geplant oder treten in Kürze in Kraft. So hat die EU-Green Bonds-Verordnung für die Emission von grünen Anleihen ein neues Format eingeführt, das ab Dezember 2024 gilt: die europäischen grünen Anleihen (EU Green Bonds).

Die komplexe, zum Teil fragmentierte und nicht immer konsistente Regulierung des Themas Nachhaltigkeit birgt zunehmend die Gefahr, dass Akteure des Finanzmarkts die Regulierung nicht oder nicht vollständig umsetzen. Beaufsichtigte Unternehmen könnten hierdurch Verstöße begehen und Reputationsverluste erleiden.

Verbesserungsbedarf im Risikomanagement von Banken und Versicherern

Nach Erkenntnissen der BaFin haben deutsche Kreditinstitute weiterhin Verbesserungsbedarf beim Management ihrer Nachhaltigkeitsrisiken. Eine strukturierte Erhebung der Deutschen Bundesbank im Zeitraum Februar 2022 bis März 2023 zeigte zwar, dass rund 80 Prozent der weniger bedeutenden Institute (Less Significant InstitutionsLSIs) Klima- und Umweltrisiken betrachten und physische und transitorische Risiken im Blick haben; 70 Prozent berücksichtigen Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Geschäfts- und Risikostrategie. Zudem sieht ein Viertel dieser Institute Nachhaltigkeitsrisiken als wesentlichen Einflussfaktor für mindestens eine der etablierten Risikokategorien an. Aber nur eine Minderheit verfügt über Methoden zur Beurteilung bzw. Messung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken. Bei dem Großteil der Institute fließen noch keine Erkenntnisse aus Stresstests und Szenarioanalysen in die strategischen Überlegungen und das Risikomanagement ein. Auch die Verwendung von Nachhaltigkeits-Ratings ist noch nicht verbreitet.

Versicherungsunternehmen haben sich nach Einschätzung der BaFin beim Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken weiterentwickelt. Dennoch besteht in fast allen Bereichen noch Verbesserungspotential, insbesondere beim Risikomanagement, bei der Durchführung von Stresstests sowie bei der konsistenten Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien innerhalb von Unternehmensgruppen.

Greenwashing: Risiken für Anlegerinnen und Anleger

Auch Greenwashing birgt Risiken. Greenwashing beschreibt eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Informationen das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstdienstleistung nicht eindeutig und redlich widerspiegeln. Retailkundinnen und -kunden (Privatkundschaft und kleinere und mittlere Unternehmen), aber auch institutionelle Investoren, können dadurch in die Irre geführt werden. Das Risiko von Greenwashing ist hoch, da es keine eindeutigen Definitionen zu Nachhaltigkeitseigenschaften gibt. Zudem sind offengelegte Informationen zur Nachhaltigkeitswirkung von Produkten und Dienstleistungen häufig nicht verständlich genug. Durch Greenwashing wird das Vertrauen in einen funktionierenden Markt beeinträchtigt.

Wie die BaFin vorgeht

  • In der 7. MaRisk-Novelle hat die BaFin am 29. Juni 2023 ihre Erwartungshaltung, die bislang nur in dem unverbindlichen „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ beschrieben war, verbindlich gemacht. Dies ist die Grundlage dafür, dass die BaFin Nachhaltigkeitsaspekte künftig im aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation ProcessSREP) berücksichtigen kann.
  • Die BaFin veröffentlicht ihre Erwartungen zum Umgang der Versicherer mit Nachhaltigkeitsrisiken. Geplant sind eine Novelle der Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen (MaGo) für Solvency II-Unternehmen sowie die Veröffentlichung eines Rundschreibens zum Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht, das unter anderem explizit das Thema Nachhaltigkeit behandelt.
  • Die BaFin wird ESG-Risiken bei ausgewählten Instituten in ihren Aufsichtsgesprächen thematisieren. Außerdem wird sie im Jahr 2024 Sonderprüfungen mit dem Schwerpunkt ESG/Nachhaltigkeit durchführen.
  • Die BaFin prüft stichprobenartig, wie beaufsichtigte Unternehmen die Offenlegungspflichten der SFDR umsetzen und ob ihre Marketingmitteilungen den offengelegten Informationen widersprechen. Weiterhin trägt die BaFin mit ihrer Verwaltungspraxis dazu bei, dass deutsche Publikumsfonds nicht als nachhaltig bezeichnet werden dürfen, wenn ihre Anlagebedingungen nicht bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen.
  • Die BaFin beurteilt mit einer Heatmap, wie besonders exponierte beaufsichtigte Unternehmen verschiedener Sektoren mit den finanziellen Folgen von Klimarisiken umgehen. Diese Erkenntnisse sollen in die Aufsichtstätigkeit der BaFin einfließen.
  • Die BaFin baut zusätzliche Kompetenzen und Ressourcen auf, um zu prüfen, ob die der Bilanzkontrolle unterliegenden Unternehmen die neuen Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) einhalten.
  • Die BaFin beteiligt sich am Konsultationsverfahren der EU-Kommission zum SFDR-Review. Sie bringt ihre Positionen hierzu über die relevanten europäischen Arbeitsgruppen und Austauschformate in den Review-Prozess ein.
  • Die BaFin entwickelt ein Aufsichtskonzept zur Umsetzung der Green Bonds-Verordnung, um zu prüfen, ob die Emittenten bei Nutzung des freiwilligen EU Green Bond-Standard die vorgesehenen Informationen korrekt veröffentlicht haben.

  1. 1 Diese Trendbeschreibung konzentriert sich auf den Aspekt „Umwelt“, weil dieser aus Sicht der BaFin aktuell die größten Risiken für Unternehmen des Finanzsektors birgt und auch die Regulierung dieses Thema derzeit im Fokus hat.

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