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4. Risiken aus dem Ausfall von Krediten an deutsche Unternehmen ⇧

Das Risiko von Insolvenzen deutscher Unternehmen ist gestiegen. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage ist zu befürchten, dass der Anteil problematischer Kredite, Schuldverschreibungen und Verbriefungen zunimmt. Bei Prolongationen kann die Wahrscheinlichkeit steigen, dass ein Kreditnehmer ausfällt. Grund hierfür sind die höheren Marktzinsen, die Kreditnehmer möglicherweise nicht tragen können.

Sollten die Kreditausfälle steigen, würde dies die deutschen Kreditinstitute belasten. Gefährdet wären vor allem Institute mit geringen Eigenkapitalpuffern, die bisher zu wenig Risikovorsorge gebildet haben, oder ihre Risiken zu wenig diversifizierten.

Stimmung in der Wirtschaft trübt sich ein

Das Risikoumfeld hat sich im Laufe des Jahres 2023 teilweise gewandelt. Energie war zwar weniger knapp als befürchtet, und auch die Lieferketten waren überwiegend belastbar. Die Bedingungen für deutsche Unternehmen sind dennoch schwieriger geworden. Die Zinswende und schärfere Kreditvergabestandards haben die Finanzierungskosten stark erhöht. Hinzu kamen Belastungen durch die weiterhin hohe Inflation, deutliche Lohnerhöhungen und die kostenintensive Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft bei gleichzeitig sinkender Nachfrage. Letzteres betrifft vor allem die Automobilindustrie, speziell deren Zulieferer.

Hinzu kommt: Die außerordentlichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie und der sich im Jahr 2022 abzeichnenden Energiekrise enden. Dies könnte dazu führen, dass die Kreditausfallraten bei betroffenen Unternehmen, beispielsweise in der Gastronomie, steigen. Auch sind energieintensive Branchen, etwa die Chemieindustrie und die Papier- oder Glasherstellung, von den nach wie vor hohen Energiepreisen betroffen.

Insbesondere die zahlreichen exportabhängigen Unternehmen leiden außerdem unter zunehmenden Handelsbeschränkungen und einem weltweiten Subventionswettlauf.1 Zudem sind die fiskalischen und geldpolitischen Handlungsspielräume gesunken, um bei einer erneuten Krise die Wirtschaft zu stützen. Dies liegt unter anderem an den gestiegenen Zinsen und dem anti-inflationären geldpolitischen Kurs der Zentralbanken.2

Insgesamt betrachtet ist die deutsche Wirtschaftsleistung 2023 nach den Prognosen von Wirtschaftsforschungsinstituten und Banken nicht gewachsen, sondern sogar leicht zurückgegangen. Auch für das Jahr 2024 erwarten die Institute eine schwache Konjunktur.

Ausfallrisiken für Banken steigen

Seit Jahresbeginn 2022 nehmen die Unternehmensinsolvenzen zu – wenn auch von einem ungewöhnlich niedrigen Niveau während der Covid-19-Pandemie (siehe Abbildung 1). Das betrifft insbesondere das Sozial- und Gesundheitswesen sowie das Grundstücks- und Wohnungswesen, vor allem die Immobilienprojektentwickler. Die Insolvenzzahlen in diesen Branchen sind im Vergleich zum Jahresende 2019 – also dem Jahr vor Beginn der Covid-19-Pandemie – um 57 bzw. 44 Prozent gestiegen.

Abbildung 1: Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im Zeitablauf

Grafik Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im Zeitablauf Quelle: LSEG Datastream, Statistisches Bundesamt, Stand Oktober 2023 Abbildung 1: Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im Zeitablauf

Die Wertberichtigungen in den Kreditportfolien der Banken haben bis zum dritten Quartal 2023 gegenüber dem ersten Quartal 2023 nur geringfügig zugenommen. Allerdings stärken insbesondere die weniger bedeutenden Institute (Less Significant InstitutionsLSIs) zunehmend ihre Risikovorsorge (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Entwicklung der Kreditrisikovorsorge deutscher Banken

Grafik Entwicklung der Kreditrisikovorsorge deutscher Banken Kreditrisikovorsorge umfasst für HGB-Bilanzierer neben Einzelwertberichtigungen (EWB), pauschalierten EWB, Pauschalwertberichtigungen und Rückstellungen auch § 340f HGB-Reserven. Quelle: Gemeinsame Berechnungen von BaFin und Bundesbank auf Basis des aufsichtlichen Meldewesen, Stand: 30. September 2023 Abbildung 2: Entwicklung der Kreditrisikovorsorge deutscher Banken

Bei den bedeutenden Instituten (Significant InstitutionsSIs) betrug die Quote notleidender Kredite (Non-performing Loans – NPLs) im September 2023 durchschnittlich 1,46 Prozent; die weniger bedeutenden Institute verzeichneten mit 1,42 Prozent eine etwas niedrigere Quote (siehe Abbildung 3). Am höchsten war die NPL-Quote bei den Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken (1,69 Prozent); bei den Verbundinstituten fiel die Quote niedriger aus (Sparkassen: 1,31 Prozent, Kreditgenossenschaften: 1,42 Prozent). Mit Blick auf die Branchen dominierte das „sonstige Grundstückwesen“, das auch Gewerbeimmobilien umfasst.3

Insgesamt bewegten sich die NPL-Quoten in Deutschland – im Vergleich zu den europäischen Banken im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) noch auf einem niedrigen Niveau.

Seit September 2022 waren die NPL-Quoten insgesamt jedoch sukzessive gestiegen, um 13 Basispunkte bzw. zehn Prozent. Die BaFin geht davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.

Abbildung 3: Entwicklung der NPL-Quoten deutscher Banken

Balkendiagramm Entwicklung der NPL-Quoten deutscher Banken Quelle: Gemeinsame Berechnungen von BaFin und Bundesbank auf Basis des aufsichtlichen Meldewesen, Stand: 30. September 2023 Abbildung 3: Entwicklung der NPL-Quoten deutscher Banken

Dem Bank Lending Survey (BLS) des Eurosystems zufolge haben die Institute in Deutschland ihre Kreditvergabestandards seit Anfang 2022 gestrafft und erhöhte Risikoaufschläge bei bestimmten Krediten durchgesetzt. Die Kapitalmärkte fordern allerdings höhere Risikoaufschläge als Banken. Zudem fragen die Unternehmen seit Anfang 2023 weniger Kredite nach. Die Institute rechnen damit, dass sich dieser Trend fortsetzt. Laut BLS planen die Banken die Vergaberichtlinien für Unternehmenskredite weiter zu straffen.

Versicherer auch betroffen

Versicherer sind ebenfalls von Kreditausfallrisiken betroffen, denn sie vergeben selbst Unternehmenskredite bzw. investieren in Kreditfonds. Diese Private Debt4-Fonds stellen Unternehmen Fremdkapital zur Verfügung. Die von ihnen vergebenen Kredite sind grundsätzlich besichert.

Die Versicherer haben den Anteil der Private Debt-Investitionen an ihren Portfolien in den vergangenen Jahren insbesondere aufgrund der Niedrigzinsphase kontinuierlich ausgebaut. Zum Jahresende 2023 machten diese Investitionen durchschnittlich knapp fünf Prozent der Kapitalanlagen aus; bei einigen Versicherern lag der Anteil deutlich höher.

Private Debt-Investitionen tragen zwar dazu bei, das Gesamtportfolio zu diversifizieren. Allerdings stellen sie sehr hohe Anforderungen an das Risikomanagement der Versicherer. Wichtig ist vor allem ein gutes Verständnis für die Geschäftsmodelle der Unternehmen, für die Private Debt-Fonds Fremdkapital bereitstellen.

Die unter BaFin-Aufsicht stehenden Kredit- und Kautionsversicherer sind ebenfalls aufgrund der nachlassenden Konjunktur und ansteigenden Unternehmensinsolvenzen betroffen. Insgesamt ist ein Anstieg der Schadenquoten beobachtbar – auch bei den Kautionsversicherern, die Garantien und Bürgschaften für die angespannte Baubranche übernehmen. Sie liegt jedoch weiterhin in einem auskömmlichen Bereich.

Wie die BaFin vorgeht

  • Die BaFin wird die Kreditinstitute eng begleiten, die ein ausgeprägtes Exposure gegenüber Branchen aufweisen, die von einem Konjunktureinbruch besonders betroffenen sein könnten.
  • Die BaFin führt regelmäßig Sonderprüfungen zum Kreditgeschäft und Werthaltigkeitsprüfungen mit dem Fokus Unternehmenskredite durch. Sie intensiviert diese Prüfungen.
  • Zudem strebt die BaFin einen Ausbau ihrer Datenanalyse-Kapazitäten mit Blick auf das Kreditgeschäft der Banken an. Die BaFin wird zum einen weitere Datenquellen erschließen und nutzen, zum Beispiel statistische Daten und Daten kommerzieller Anbieter. Zum anderen wird die BaFin durch den Aufbau eines Frühwarnsystems besondere Risiken (z. B. bei NPLs) noch intensiver beobachten.
  • Die BaFin führt eine Querschnittsanalyse der Modelle durch, die weniger bedeutende Institute für einen internen ratingbasierten Ansatz (IRB-Ansatz) nutzen. Ziel ist es, einen aussagekräftigen Überblick über die eingesetzten Modelle inklusive deren Performance zu erhalten.
  • Die BaFin beobachtet die Entwicklung des Private Debt-Markts und das Investitionsverhalten der Versicherer weiter sehr genau. Sie sensibilisiert die Branche für die Anforderungen an das Risikomanagement und nimmt vor allem Versicherer in den Fokus, deren Exposure auffällig ist bzw. die überdurchschnittliche Risiken eingehen. Auch für Banken hat die BaFin dieses Thema im Blick – auch wenn Kreditinstitute bislang allgemein nicht in nennenswertem Ausmaß in Private Debt-Fonds investieren.
  • Die BaFin beobachtet den Markt für Kredit- und Kautionsversicherer im Hinblick auf steigende Unternehmensinsolvenzen weiterhin genau.

  1. 1 Siehe Trend Geopolitische Umbrüche
  2. 2 Siehe Risiken aus Korrekturen an den internationalen Kapitalmärkten
  3. 3 Siehe Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten
  4. 4 Private Debt ist eine Form von Fremdkapital, das Unternehmen von institutionellen Investoren zur Verfügung gestellt wird.

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1. Digitalisierung
2. Nachhaltigkeit
3. Geopolitische Umbrüche

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