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3. Risiken aus signifikanten Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten ⇨

Das Potenzial für signifikante Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten ist weiter groß. Über lange Zeit herrschte durch die extrem niedrigen Zinsen ein Anlagenotstand. Es war sehr viel Liquidität im Umlauf und die (Re-)Finanzierungsbedingungen waren entsprechend günstig. Diese Rahmenbedingungen haben sich in kurzer Zeit grundlegend geändert. Im Jahr 2023 blieben deutliche und nachhaltige Korrekturen an den Finanzmärkten aus. Dabei spielten Erwartungen bezüglich der weiteren Zinsentwicklung eine wichtige Rolle. Die Märkte erwarten, dass der Zinsgipfel erreicht ist und in absehbarer Zeit bereits erste Zinssenkungen eintreten. Auch angesichts der hohen geopolitischen Risiken erscheinen die Risikoprämien an den Märkten weiterhin niedrig. Sollten die Markterwartungen sich infolge adverser Schocks plötzlich ändern, könnte dies zu abrupten Korrekturen an den Märkten führen.

Zinserhöhungen, Quantitative Tightening und geopolitische Unsicherheit

Die internationalen Finanzmärkte bleiben fragil. Die zunehmend angespannte geopolitische Situation1 und die eingetrübten Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in einzelnen wichtigen Ländern und Regionen verbreiteten im Jahr 2023 große Unsicherheit. Um die hohe Inflation zu bekämpfen, haben unter anderem die Europäische Zentralbank (EZB), die US-amerikanische Federal Reserve und die Bank of England im Jahr 2022 Zinserhöhungen eingeleitet.2 Außerdem haben sie damit begonnen, ihre Anleihebestände zu verkaufen, die sie in den vergangenen Jahren aufgebaut hatten (Quantitative Tightening). Damit haben die Zentralbanken den Märkten Liquidität entzogen. Die restriktiven geldpolitischen Maßnahmen führen zu steigenden Finanzierungskosten für Unternehmen der Realwirtschaft. Dies könnte insbesondere bei hoch verschuldeten Unternehmen der Realwirtschaft zu Ratingherabstufungen und erhöhten Ausfallraten an den internationalen Anleihe- und Verbriefungsmärkten führen.3

Beaufsichtigte Versicherer verfügen über erhebliche Exposures in Unternehmens-, Bank- und Staatsanleihen. Anleihen mit einem BBB-Rating, dem schlechtesten Investment-Grade-Rating, machten zum 30. September 2023 immerhin rund zehn Prozent der gesamten Kapitalanlagen nach Zeitwerten der unter Solvency II beaufsichtigten Erstversicherer aus.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Terrorangriff auf Israel und die Eskalation des Konflikts im Nahen Osten sowie die ungewisse Entwicklung in anderen Regionen bergen weitere Risiken für die Finanzmärkte. In der Vergangenheit hatten Zentralbanken und Staaten in Stresssituationen die Märkte insbesondere mit zusätzlicher Liquidität gestützt. Im aktuellen Umfeld entsprächen zusätzliche Liquiditätsmaßnahmen nicht dem derzeitigen geldpolitischen Kurs der Zentralbanken.

Unterschiedliche Auswirkungen auf einzelne Assetklassen

Steigende Zinsen, eine sich abkühlende Wirtschaft und eine zunehmende Risikoaversion haben bislang zwar nicht zu wachsenden Ausfallraten an den internationalen Anleihemärkten geführt. Die Zeitwerte von Anleihen sind jedoch seit Mitte 2021 bis zum dritten Quartal 2023 stark gefallen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Marktbewertung festverzinslicher Wertpapiere im Zeitverlauf

Grafik Marktbewertung festverzinslicher Wertpapiere im Zeitverlauf Quelle: LSEG Datastream, Stand Oktober 2023 Abbildung 1: Marktbewertung festverzinslicher Wertpapiere im Zeitverlauf

Die im Jahr 2023 gestiegenen Risikoprämien in Form höherer erwarteter Renditen zeigen, dass das Vertrauen der Märkte in die Schuldentragfähigkeit einiger Staaten sinkt. Dies betrifft vor allem die Länder, deren Staatshaushalte in den kommenden Jahren durch die teurere Refinanzierung auslaufender Anleihen belastet werden.

Die Lage an den Aktienmärkten war im Jahr 2023 gemischt: Nach starken Rückgängen durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene große Unsicherheit im Jahr 2022 erholten sie sich im Laufe des Jahres 2023. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage sind signifikante Korrekturen nicht ausgeschlossen.

Etwaige Korrekturen würden sich zwar unmittelbar, jedoch nicht bedeutend auf die Solvabilität und die Erträge von Versicherern auswirken, denn der Anteil notierter Aktien am Gesamtbestand der Versicherer lag im Branchendurchschnitt zum 30. September 2023 bei ca. fünf Prozent. Auch deutsche Banken wären bei einem Kurseinbruch an den Aktienmärkten betroffen. Allerdings ist der Aktienanteil im Depot A (Eigenbestand) der Institute gemessen an ihren Gesamtaktiva mit durchschnittlich 0,3 Prozent (Stand: 30. September 2023) sehr gering.

Korrekturen an den Finanzmärkten könnten zudem im Derivategeschäft zu höheren Margin-Anforderungen führen – also die Höhe der Gelder, die als Sicherheiten hinterlegt werden müssen. Durch signifikante Korrekturen könnten die bereits gestellten Sicherheiten nicht mehr ausreichen. Marktteilnehmer müssten dann kurzfristig Liquidität nachschießen.

Risiken für Finanzstabilität aus Non-Bank Financial Intermediation

Die Bedeutung von Non-Bank Financial Intermediation (NBFI) ist in den vergangenen Jahren gegenüber der Finanzintermediation über den Bankensektor deutlich gestiegen. Das weltweite Volumen der NBFI-Vermögenswerte hat sich nach Angaben des Finanzstabilitätsrats (Financial Stability Board – FSB) in den Jahren 2008 bis 2022 mehr als verdoppelt. Stabilitätsrisiken können durch fehlende Transparenz und Regulierungslücken entstehen. Besonders bedeutsam sind Risiken aus übermäßiger Nutzung von Leverage und Liquiditätsabflüssen.

Wenn insbesondere alternative Investmentfonds (AIFs) oder andere Vehikel mit einem geringen Eigenkapitaleinsatz und gegebenenfalls komplexen Finanzinstrumenten ein hohes Risiko eingehen und sich in Stress- oder Krisensituationen als wenig liquide erweisen, kann über Panikverkäufe der übrige Finanzsektor angesteckt werden. So könnte systemweiter Stress entstehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn an solchen Geschäften systemrelevante Banken beteiligt sind. Hierdurch entstehen zusätzliche Konzentrationsrisiken und Risiken für die Finanzstabilität.

Wie die BaFin vorgeht

  • Die BaFin identifiziert Institute mit hohen und riskanten finanzmarktabhängigen Exposures. Die BaFin bewertet die Engagements im Hinblick auf ihren Risikogehalt und begleitet die investierten Institute eng, falls notwendig.
  • Die BaFin entwickelt die Prognoserechnung der Lebensversicherer mit Blick auf Solvency II weiter. Hierbei untersucht sie, wie sich Kapitalmarktveränderungen auf die Eigenmittel und die Solvabilitätskapitalanforderung der Unternehmen auswirken. Aufbauend auf diesen standardisierten Sensitivitätsberechnungen plant die BaFin, eine Top-Down-Methodik zu entwickeln, mit der sie einschätzen will, wie sich Kapitalmarktveränderungen auf die Solvenz der Lebensversicherer auswirken.
  • Die BaFin arbeitet in verschiedenen Arbeitsgruppen der europäischen und internationalen Aufsichtsorganisationen zum Thema NBFI mit. Sie beobachtet die Marktentwicklung und das Liquiditätsmanagement insbesondere von alternativen Investmentfonds.

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