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2. Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten ⇧

Seit dem Jahresende 2022 hat sich die Lage an den Immobilienmärkten grundlegend gewandelt. Über viele Jahre hinweg stiegen die Preise und Bewertungen. Bei vielen Kreditinstituten sind die Immobilienportfolios gewachsen. Nun sinken die Preise, die Kreditvergabe stockt und der Wert der Kreditsicherheiten steht unter Druck. Zwar wirkt es sich grundsätzlich positiv auf die Finanzstabilität aus, wenn Überbewertungen abgebaut werden. Zunächst kann diese Entwicklung jedoch die Ertragslage der Institute stark belasten. In einigen Fällen könnten Kreditausfälle die Institute sogar gefährden, wenn diese nicht ausreichend diversifiziert sind und in besonders kritische Segmente investiert haben.

Gewerbeimmobilien

Starke Preisrückgänge, Neugeschäft eingebrochen

Seit Mitte 2022 sinken die Preise für Gewerbeimmobilien auf breiter Front (siehe Abbildung 1). Die Preise für Büroimmobilien sind nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Pfanfbriefbanken e.V. (vdp) im dritten Quartal 2023 um 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gefallen, die Preise für gewerbliche Wohnimmobilien um 6,8 Prozent. Der schon länger andauernde Preisverfall bei Einzelhandelsobjekten setzte sich aufgrund des anhaltenden Trends zum Online-Handel fort. Seit Ende 2019 summieren sich im Segment der Einzelhandelsimmobilien die Wertkorrekturen im Durchschnitt bereits auf 20 Prozent.

Abbildung 1: Preise für Gewerbeimmobilien in Deutschland nach Objekttypen

Grafik Preise für Gewerbeimmobilien in Deutschland nach Objekttypen Quelle: vdp, BaFin-eigene Darstellung Abbildung 1: Preise für Gewerbeimmobilien in Deutschland nach Objekttypen

Insbesondere die ungünstigeren Finanzierungsbedingungen, der wirtschaftliche Abschwung und die hohe Inflation, vor allem bei den Baukosten, sowie Veränderungen im Konsumverhalten bzw. der Trend zum Online-Shopping oder die stärkere Nutzung von Home-Office belasten Angebot und Nachfrage merklich. Das Transaktionsvolumen im Bereich Gewerbeimmobilien ist eingebrochen: Im dritten Quartal 2023 lag es nach Angaben von Jones Lang LaSalle zufolge ca. 60 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt.

Nach einem langjährigen dynamischen Kreditwachstum ist das Neukreditgeschäft (ohne Kredite für gewerbliche Wohnimmobilien) laut vdp im Winterhalbjahr 2022/23 auch eingebrochen. Es hat sich seitdem auf niedrigerem Niveau ein wenig erholt, bleibt jedoch deutlich hinter den Volumina der vorangegangenen Jahre zurück. Auch in der näheren Zukunft dürfte die Entwicklung der Kreditzusagen angesichts des kräftigen Abschwungs am Gewerbeimmobilienmarkt verhalten bleiben.

Kreditqualität verschlechtert sich

Die Risiken im Gewerbeimmobilienmarkt werden sich voraussichtlich in den nächsten Jahren über eine verschlechterte Kreditqualität und letztendlich auch über Kreditausfälle realisieren. Bis Ende 2022 war die NPL-Quote1 als nachlaufender Indikator mit ca. zwei Prozent über einen langen Zeitraum hinweg unauffällig und vergleichsweise stabil. Bis zum dritten Quartal 2023 stieg sie aber insbesondere bei den SIs spürbar an (siehe Abbildung 2). Zugleich dürften die Sicherheiten in den Kreditportfolios sukzessive geringer bewertet werden, weil der Barwert der künftigen Mieterträge aufgrund der kräftig gestiegenen Zinsen niedriger ausfällt und der Wert der Immobilie deshalb in vielen Fällen nach unten angepasst werden muss. Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass deutsche Institute die Kreditvergabestandards bei neuen Darlehen straffen.

Abbildung 2: NPL-Volumen und NPL-Quote der Gewerbeimmobilienkreditbestände deutscher SI/LSI

Grafik NPL-Volumen und NPL-Quote der Gewerbeimmobilienkreditbestände deutscher SI/LSI Hier: Gewerbeimmobilienkredite = Mit Gewerbeimmobilien besicherte Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen Quelle: Gemeinsame Berechnungen von BaFin und Bundesbank auf Basis des aufsichtlichen Meldewesen, Stand: 30. September 2023 Abbildung 2: NPL-Volumen und NPL-Quote der Gewerbeimmobilienkreditbestände deutscher SI/LSI

Banken mit einem Schwerpunkt in der gewerblichen Immobilienfinanzierung und Projektentwickler unterliegen wegen ihrer spezifischen Geschäftsmodelle einem erhöhten Risiko. Manche Banken sind sehr stark auf in- und ausländische Gewerbeimmobilienfinanzierungen ausgerichtet und damit auch Turbulenzen in anderen Ländern ausgesetzt. Sie haben – wie auch einige andere Institute – wegen ihrer Spezialisierung auf Gewerbeimmobilienfinanzierungen ein Klumpenrisiko, da sie Verluste in diesem Segment nicht durch andere Geschäftsfelder kompensieren können. Projektentwickler wiederum haben in der Planungsphase keine regelmäßigen Mieteinnahmen und sind daher verwundbarer als Halter von Bestandsimmobilien mit solventer Mieterstruktur. Projektentwickler leiden derzeit besonders unter dem kräftigen Anstieg der Finanzierungs- und Baukosten. Im Jahr 2023 mussten mehrere Projektentwickler Insolvenz anmelden.

Die schwierige Lage am Gewerbeimmobilienmarkt wird die Erträge der betroffenen Banken voraussichtlich für einen längeren Zeitraum belasten und eine höhere Risikovorsorge erfordern. Stark spezialisierte Geschäftsmodelle oder eine schlechte Auswahl von Objekten durch die Banken könnte sogar einzelne Institute in Schwierigkeiten bringen.

Versicherer

Versicherer sind von den oben genannten Entwicklungen ebenfalls betroffen, da sie als institutionelle Investoren traditionell in Wohn- und Gewerbeimmobilien investieren bzw. Hypothekendarlehen vergeben. Bei den Kapitalanlagen der Versicherer machten Gewerbeimmobilien am 30. September 2023 ca. acht Prozent aus.2 Versicherer weisen derzeit noch sehr hohe Bewertungsreserven in ihren Immobilienportfolios aus. Die BaFin schätzt daher das Risiko aus Bewertungsänderungen insgesamt als beherrschbar ein.

Immobilienfonds

Deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften haben einen großen Anteil am europäischen Markt für offene Immobilienfonds. Das wichtigste Risiko für diese Fonds aus Aufsichtsperspektive ist das Liquiditätsrisiko. Es besteht darin, dass die Gesellschaften nicht ausreichend Liquidität haben für den Fall, dass sehr viele Anlegerinnen und Anleger ihre Fondsanteile zurückgeben möchten. Dann müssten die Gesellschaften gegebenenfalls die Rücknahme aussetzen. Dazu kam es bisher aber nur in wenigen Fällen. Bei in Deutschland ansässigen offenen Fonds für Privatanlegerinnen und -anleger wird dieses Risiko verringert, weil hier in der Regel Mindesthaltefristen von zwei Jahren, Kündigungsfristen von einem Jahr und gegebenenfalls feste Rücknahmetermine gelten.

Eine Kündigungswelle ist derzeit nicht erkennbar. Bei Publikumsfonds sind seit September 2023 leichte Nettoabflüsse festzustellen. Bei Spezialfonds ist das bisher noch nicht zu sehen.

Wohnimmobilien

Preisrückgang und schwächeres Neugeschäft

Am deutschen Wohnimmobilienmarkt sind die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum im dritten Quartal 2023 nach Angaben des vdp im landesweiten Durchschnitt gegenüber dem Vorjahresquartal um 5,8 Prozent gesunken. Der Preisrückgang ist für Bestandsimmobilien stärker ausgeprägt als für Neubauten. Die Nachfrage sinkt bei leicht zunehmendem Angebot. Deshalb sinken die Preise.

Der Bestand der Wohnungsfinanzierungen von privaten Haushalten wächst zwar noch, inzwischen jedoch deutlich langsamer. Im dritten Quartal 2023 war er nach Angaben der Deutschen Bundesbank nur noch um 1,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Einschließlich des gewerblichen Wohnungsbaus beläuft sich der Gesamtbestand an Wohnimmobilienkrediten auf rund 1,8 Billionen Euro.

Es werden deutlich weniger neue Kredite vergeben. Von Januar bis September 2023 lag die Neukreditvergabe um 43 Prozent niedriger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum (siehe Abbildung 3). Wesentliche Gründe hierfür sind neben dem inflationsbedingten Rückgang der Realeinkommen die deutlich gestiegenen Hypothekenzinsen und Baukosten. Wohneigentum wird weniger erschwinglich, die Nachfrage sinkt deutlich und potenzielle Käuferinnen und Käufer weichen zunehmend auf den Mietmarkt aus.

Wirtschaftlich kann die Trendwende am Wohnimmobilienmarkt Kreditinstitute längerfristig vor Probleme stellen. Der Anstieg der Zinserträge aus dem Neugeschäft und aus Anschlussfinanzierungen wird zudem durch die geringere Neukreditvergabe begrenzt.

Abbildung 3: Entwicklung von Wohnungsbaukrediten inländischer Banken*

Grafik Entwicklung von Wohnungsbaukrediten inländischer Banken * Angaben um statistisch bedingte Veränderungen bereinigt. Quelle: Berechnungen der Bundesbank, Stand September 2023 Abbildung 3: Entwicklung von Wohnungsbaukrediten inländischer Banken*

Hinzu kommt: Institute, deren Erträge zu einem großen Teil aus Immobilienkrediten mit langfristigen Zinsbindungen stammen, profitieren bisher in geringerem Maße vom erhöhten Zinsniveau als ihre Wettbewerber. Grundsätzlich haben die privaten Baufinanzierungen in Deutschland lange Zinsbindungsfristen. Durch die Zinserhöhungen der vergangenen Quartale ist jedoch der Anteil der sehr langfristigen Finanzierungen von mehr als zehn Jahren etwas gesunken und der Anteil der Finanzierungen mit kürzeren Laufzeiten leicht gestiegen (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Zinsbindungsfristen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte in Deutschland*

Grafik Zinsbindungsfristen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte in Deutschland * Berechnet als Anteil des Neugeschäftsvolumens der Kredite inländischer Banken mit jeweiliger Zinsbindung am Neugeschäftsvolumen insgesamt (enthält auch Prolongationen). Quelle: Berechnungen der Bundesbank auf Basis der MFI-Zinsstatistik, Stand September 2023 Abbildung 4: Zinsbindungsfristen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte in Deutschland*

Bislang keine übermäßigen Kreditausfälle, Sicherheiten belastet

In diesem Umfeld haben die Kreditinstitute im Jahr 2023 ihre Kreditvergabestandards verschärft, wie die Deutsche Bundesbank in ihrem Bank Lending Survey für Deutschland (zuletzt im Oktober 2023) zeigt. In den kommenden Jahren werden zunehmend Hypothekendarlehen auslaufen, die noch zu sehr niedrigen Zinssätzen abgeschlossen wurden. Bei Kreditprolongationen kann dies problematisch werden – nämlich dann, wenn Kreditnehmerinnen und -nehmer die höhere Belastung durch die Immobilienkredite nicht mehr stemmen können.

Insgesamt fallen die Verluste der Kreditgeber bei den Wohnimmobilien noch moderat aus. Die Kreditvorsorgequote der Institute lag im dritten Quartal 2023 bei 1,25 Prozent – und damit im Durchschnitt der Quartale zuvor. Inflationsbedingt könnten sich die Ausfälle leicht erhöhen, insbesondere, wenn Kreditnehmerinnen und -nehmer bei Anschlussfinanzierungen die erhöhten Zins- und Tilgungsleistungen nicht erbringen können. Erhebliche Belastungen dürften auftreten, falls bei einem Konjunktureinbruch die Arbeitslosigkeit deutlich zunehmen sollte.

Preisrückgänge bei Immobilien können auch dazu führen, dass Banken die Sicherheiten nur noch zu einem Wert unterhalb der offenen Kreditsumme einlösen können. Da die Kreditinstitute jedoch hauptsächlich den Beleihungswert anstelle des volatileren Marktwerts für ihre Sicherheiten verwenden, sollten sie in diesem Bereich über Reserven verfügen. Die Werthaltigkeit älterer Wohnimmobiliensicherheiten wird zudem durch steigende Anforderungen an die Energieeffizienz reduziert. In diesem Marktsegment sind die Preisrückgänge besonders ausgeprägt.

Wie die BaFin vorgeht

  • Seit Februar 2023 greifen die Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers und ein Systemrisikopuffer für private und gewerbliche Wohnimmobilienkredite, welche die BaFin 2022 eingeführt hatte. Die Puffer sollen die Widerstandskraft des Bankensystems stärken, indem sie die Kapitalbasis der Institute für den Stressfall schützen.
  • Die BaFin begleitet auch Kreditinstitute mit hohem Gewerbeimmobilien-Exposure weiter eng, unter anderem im Zuge von Werthaltigkeitsprüfungen. Die BaFin analysiert regelmäßig die Kreditvergabe der Institute und ihre Immobilienfondsanteile. Ziel ist es, daraus resultierende Risiken frühzeitig zu erkennen.
  • Die BaFin wird im Jahr 2024 erneut eine Erhebung zum Kapitalanlageverhalten der Versicherer durchführen und darin auch Anlagen der Versicherungsunternehmen in Gewerbeimmobilien besonders berücksichtigen.
  • Die BaFin führt mit Hilfe der im Jahr 2023 begonnen Datenerhebung über Wohnimmobilienfinanzierungen (WIFSta) vertiefte Analysen zu den Vergabestandards am Wohnimmobilienmarkt durch, sobald die Datengrundlage hinreichend verlässlich und belastbar ist.
  • Die BaFin hat im Jahr 2023 das Risiko- und Liquiditätsmanagement von Gewerbeimmobilienfonds untersucht und wird dieses Themenfeld 2024 weiter vertiefen.

  1. 1 NPL steht für notleidende Kredite (non-performing loans).
  2. 2 Direkte Investitionen sowie Abschätzung der Fondsanlagen, unter Berücksichtigung von Darlehen und Hypothekendarlehen mit Gewerbeimmobilienrisiko sowie Equity Investitionen in Gewerbeimmobilien auf Basis der Solvency II Daten zum 30. September 2023 (Marktwerte).

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