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Stand:geändert am 31.10.2019 | Thema Informationspflichten für Emittenten Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§ 36 WpHG)

Beitrag aus dem Emittentenleitfaden der BaFin

Allgemeine Hinweise

Übersicht zu den Ausnahmetatbeständen

§ 36 WpHG sieht vor, dass Stimmrechte aus Aktien eines Emittenten bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleiben, die

  • ein Kreditinstitut oder WpDU im Handelsbuch hält (§ 36 Abs. 1);
  • ausschließlich für den Zweck der Abrechnung und Abwicklung von Geschäften kurzfristig gehalten werden (§ 36 Abs. 3 Nr. 1);
  • eine Verwahrstelle hält und nur aufgrund spezifischer Weisungen ausüben darf (§ 36 Abs. 3 Nr. 2);
  • von einem Market Maker erworben oder veräußert werden (§ 36 Abs. 5);
  • zu Stabilisierungszwecken erworben wurden (§ 36 Abs. 2);
  • die Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken aufgabenspezifisch zur Verfügung gestellt bekommen (§ 36 Abs. 4).

Stimmrechte, die nach § 36 Abs. 1 bis 5 WpHG unberücksichtigt bleiben, dürfen mit Ausnahme von durch Verwahrstellen gehaltene Aktien (§ 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG) nicht ausgeübt werden (§ 36 Abs. 6 WpHG).

Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 WpHG gelten die Ausnahmetatbestände des § 36 WpHG auch hinsichtlich Stimmrechten aus Instrumenten.

Berechnung des Stimmrechtsanteils bei im Handelsbuch und durch Market Maker gehaltenen Stimmrechtsaktien

Für die Berechnung der Stimmrechte im Handels- und Market Maker-Buch ist gemäß § 36 Abs. 8 WpHG die Vorgabe aus Art. 9 Abs. 6b und Art. 13 Abs. 4 der Transparenzrichtlinie zu beachten. Diesbezüglich kommen die technischen Regulierungsstandards (RTS) in Art. 2 und Art. 3 der unmittelbar geltenden Delegierte(n) Verordnung (EU) 2015/761 der Kommission (KOM-VO 2015/761) vom 17. Dezember 2014 zur Anwendung.1

Nach Art. 2 der KOM-VO 2015/761 sind für die Berechnung der freien Bestände des Handelsbuchs und des Market Makers die Stimmrechte aus Aktien nach §§ 33, 34 WpHG und aus Instrumenten nach § 38 WpHG zu aggregieren (sog. horizontale Aggregation).

Nach Art. 3 der KOM-VO 2015/761 erfolgt innerhalb von Unternehmensgruppen (Konzernen), wobei sämtliche Mutter-Tochter-Verhältnisse mit Ausnahme der Fälle des § 35 Abs. 2 bis 6 WpHG umfasst sind, die Berechnung der freien Bestände des Handelsbuchs und des Market Makers entsprechend § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, also von „unten“ nach „oben“ (sog. vertikale Aggregation).

Beispiel
A-AG hat zwei unmittelbare Tochterunternehmen, B-AG und C-AG. Die Bestände im Handelsbuch sind wie folgt: B-AG 3,5% Stimmrechte, C-AG 1,0% Instrumente und A-AG 2,5% Stimmrechte. Die A-AG hat hier sämtliche Handelsbuchpositionen von Stimmrechten und Instrumenten zu aggregieren. Mit 7,0% überschreitet die A-AG dabei die 5%-Schwelle (gemäß § 36 Abs. 1 WpHG) im Handelsbuch und muss diesen Bestand daher offen legen.

Separate Anwendbarkeit der Handelsbuch- und Market Maker-Ausnahmetatbestände

Sofern die Voraussetzungen der einzelnen Tatbestände vorliegen, stehen diese nach der bisherigen Verwaltungspraxis der Bundesanstalt selbständig nebeneinander. Das bedeutet, ein Institut, das sowohl als Market Maker tätig ist als auch daneben Stimmrechte im Handelsbuch hält, kann die Höchstgrenzen der beiden Tatbestände jeweils in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Allerdings ist diese Praxis auf europäischer Ebene in der Diskussion, so dass sich im Zusammenhang mit einer europäischen Vereinheitlichung zukünftig Änderungen ergeben können.

Beispiel (Spalte 1 der unteren Tabelle)
Ein Unternehmen hält 2,9 % Stimmrechte aus Aktien eines Emittenten im Anlagebestand, 4,9 % im Handelsbuch und weitere 1,0 % Stimmrechte aus Aktien des gleichen Emittenten im Market Maker-Bestand. Hier besteht keine Mitteilungspflicht des Unternehmens, da es die zulässigen Höchstgrenzen im Handels- und Market Maker-Bestand nicht überschreitet und mit seinem Anteil im Anlagebestand unterhalb der 3 %-Schwelle bleibt. Eine Zurechnung auf dessen Mutterunternehmen erfolgt ebenfalls nicht.
Weitere Beispiele
Beispiel12345678
Anlagebestand2,9%2,9%4,0%2,9%2,9%2,9%9,0%2,9%
Handelsbuch4,9%5,0%5,0%5,1%0%0%0%5,0%
MM-Bestand1,0%0%0%0%6,0%10,0%2,0%9,9%
gesamt8,8%7,9%9,0%8,0%8,9%12,9%11,0%17,8%
meldepflichtige
Schwellen

-

-

-

-

-

-

-

3%

-

3%

-

5%

-

-

-

3%

5%

10%

3%

-

5%

-

-

-

ausübbare

Stimmrechte

2,9%2,9%4,0%8,0%2,9%12,9%9,0%2,9%

Handelsbuch (§ 36 Abs. 1 WpHG)

Nichtberücksichtigung von Stimmrechten im Handelsbuch

Nach § 36 Abs. 1 WpHG bleiben Stimmrechte aus Aktien eines Emittenten mit dem Herkunftsstaat Bundesrepublik Deutschland bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt, wenn ihr Inhaber

  1. ein Kreditinstitut oder ein WpDU mit Sitz in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat ist,
  2. die betreffenden Aktien im Handelsbuch hält und dieser Anteil nicht mehr als 5 Prozent der Stimmrechte beträgt und
  3. sicherstellt, dass die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt und anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen.

Bei der Handelsbuchausnahme ist zusätzlich Art. 6 der KOM-VO 2015/761 zu berücksichtigen, wonach Geschäfte im Zusammenhang mit Kundenaufträgen (sog. client serving transactions) dem Handelsbuch zuzuordnen sind. Hier ging die Bundesanstalt allerdings bereits auch bislang davon aus, dass diese Art von Geschäften unter die Handelsbestands- bzw. Handelsbuchausnahme fällt, da sie nicht dem Anlagebestand zuzuordnen sind.

Eines Befreiungsantrags zur Nutzung der Handelsbuchausnahme bedarf es nicht; ebenso wenig eines Testats des Wirtschaftsprüfers, dass die Stimmrechtsaktien im Handelsbuch rechtskonform gehalten wurden.

Nichtberücksichtigung bis zu einem Stimmrechtsanteil von einschließlich 5 Prozent

Stimmrechte aus Aktien, die im Handelsbuch gehalten werden, gelten bis einschließlich 5 Prozent vollumfänglich als ausgenommen; ab 5 Prozent plus ein Stimmrecht sind die Stimmrechte jedoch vollumfänglich zu berücksichtigen.

Beispiel
Ein WpDU hält 1,5 % Stimmrechte aus Aktien im Anlagebestand und 3 % desselben Wertes im Handelsbuch. Es besteht keine Meldepflicht, da der Anteil im Handelsbuch nicht zu berücksichtigen ist. Erwirbt das WpDU zusätzliche 3 % für das Handelsbuch, entsteht eine Meldepflicht für das Überschreiten der 3 %- und 5 %-Schwelle auf 7,5 %.
Kommen weitere 2 % im Anlagebestand hinzu, erreicht es im Anlagebestand zwar 3,5 %, hält in toto jedoch 9,5 %, so dass keine neue Meldepflicht ausgelöst wird, da die 10 %-Schwelle nicht erreicht oder überschritten wird.

Die vollumfängliche Nichtberücksichtigung von Stimmrechten aus Aktien im Handelsbuch gilt wieder, sobald der Bestand im Handelsbuch 5 Prozent oder weniger erreicht.

Beispiel
Ein WpDU hält 3,5 % Stimmrechte aus Aktien im Anlagebestand und 7 % Stimmrechte aus Aktien im Handelsbuch; eine entsprechende Mitteilung über 10,5 % hatte es abgegeben. Veräußert das WpDU 3 % aus dem Handelsbuch, wird eine Mitteilungspflicht für das Unterschreiten der 10 %- und 5 %-Schwelle auf 3,5 % ausgelöst, da die 4 % im Handelsbuch vollumfänglich nicht zu berücksichtigen sind.

Nichtberücksichtigung von Stimmrechten aus Instrumenten (§ 38 Abs. 1 Satz 2 WpHG) im Handelsbuch

Bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 WpHG auf die Stimmrechte aus Instrumenten (§ 38 Abs. 1 Satz 2 WpHG), ist folgendes zu beachten: Auf Grund der Anordnung in Art. 2 der unmittelbar anwendbaren KOM-VO 2015/761 sind sowohl die Stimmrechte gemäß §§ 33 und 34 WpHG als auch Instrumente zusammenzurechnen (horizontale Aggregation). Erst nach Zusammenrechnung ist eine Nichtberücksichtigung nach § 36 Abs. 1 WpHG zu prüfen.

Zu Stabilisierungszwecken gehaltene Stimmrechte (§ 36 Abs. 2 WpHG)

Stabilisierung nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 bzw. Marktmissbrauchsverordnung

Nach § 36 Abs. 2 WpHG bleiben Stimmrechte aus Aktien bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt,

  • die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2273/20032 zu Stabilisierungszwecken erworben wurden,
  • wenn der Aktieninhaber sicherstellt, dass die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt werden und nicht anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Unternehmens Einfluss zu nehmen.

Die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 legte bis zu ihrer Aufhebung zum 3. Juli 2016 die Bedingungen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Kurses von Finanzinstrumenten fest; sie wurde durch Art. 37 Satz 1 der Marktmissbrauchsverordnung3 aufgehoben. Seit dem 3. Juli 2016 gilt für Stabilisierungsmaßnahmen Art. 5 Abs. 4 der Marktmissbrauchsverordnung i.V.m. der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission vom 08.03.2016.

Begriff der (Kurs-)Stabilisierung

Als Kursstabilisierung gilt jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf relevanter Wertpapiere und jede Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die Wertpapierfirmen oder Kreditinstitute im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser relevanten Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht (Art. 3 Abs. 2 Buchst. d) der Marktmissbrauchsverordnung).

Hierdurch soll das Vertrauen der Anleger und der Emittenten in die Finanzmärkte insbesondere im Fall von größeren Aktienemissionen gestärkt werden.4

Praxisrelevant sind die ergänzenden Stabilisierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Mehrzuteilungsoptionen, die bei Überzeichnung der Aktien zum Einsatz kommen (sog. Greenshoe-Option). Dabei erlaubt diese Vereinbarung der (oder den im Konsortium handelnden) Emissions-unternehmen im sog. Underwriting Agreement, Zeichnungs- oder Kaufangebote über das ursprünglich geplante Platzierungsvolumen hinaus anzunehmen. Durch die Einräumung solch einer Überzeichnungsreserve, die einer Wertpapierfirma oder einem Kreditinstitut im Rahmen des Zeichnungsangebots zugestanden wird, können innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Emission der Wertpapiere eine bestimmte Menge dieser Wertpapiere zusätzlich zum Ausgabekurs erworben werden.5

Adressaten der Ausnahmeregelung

Nach der Definition der Kursstabilisierung kommen als Adressaten der Ausnahmeregelung nach § 36 Abs. 2 WpHG nur Wertpapierfirmen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Marktmissbrauchsverordnung) und Kreditinstitute (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 der Marktmissbrauchsverordnung) in Betracht.

Aufgrund des klar definierten Adressatenkreises kommt die Ausnahme für Stabilisierungsmaßnahmen nicht in Betracht für Rückübertragungsansprüche (= Instrument im Sinne des § 38 WpHG) von Altaktionären, die den Emissionsunternehmen zum Zwecke der Belieferung von Mehrzuteilungen Altaktien (= Mehrzuteilungsaktien) zur Verfügung stellen.

Abrechnung und Abwicklung (§ 36 Abs. 3 Nr. 1 WpHG)

Die Befreiung gilt nur für das sog. Clearing & Settlement im engeren Sinne, d.h. die entsprechenden Aktien müssen ausschließlich zum Zweck der Abrechnung und Abwicklung börslich oder außerbörslich erworben worden sein. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Aktien nicht länger als drei Handelstage gehalten werden.

Das Clearing & Settlement-Geschäft muss nicht alleinige Dienstleistung des Unternehmens sein, der Aktienerwerb muss jedoch ausschließlich ein Clearing & Settlement-Geschäft darstellen.

Die Bundesanstalt hat inzwischen die Verwaltungspraxis hinsichtlich Mitteilungspflichten bei Zeichnung neuer Aktien durch ein Emissionsunternehmen oder Emissionskonsortium (§§ 185, 186 Abs. 5 AktG) geändert. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass Aktien ausschließlich für Zwecke der Abrechnung und Abwicklung gehalten werden. Sofern die weiteren Voraussetzungen von § 36 Abs. 2 Nr. 1 WpHG erfüllt sind, müssen Emissionsunternehmen oder -konsortien solche Aktien nicht berücksichtigen. Hintergrund für die Änderung der Verwaltungspraxis ist die Einführung des Ausnahmetatbestandes für das Halten von Aktien im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen (§ 36 Abs. 2 WpHG) – wenn derartige Geschäfte keine Meldepflicht auslösen, so wäre es widersprüchlich, von einer Mitteilungspflicht für die Zeichnung solcher Aktien auszugehen.

Das Gleiche gilt bei Übernahme von Altaktien, also bereits ausgegebenen Aktien, zwecks (Um-)Platzierung am Markt.

Verwahrstellen (§ 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG)

Die Verwahrstellenausnahme gemäß § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG erfasst im deutschen Rechtsraum die Tätigkeit von Finanzdienstleistungsinstituten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KWG (Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere [Depotgeschäft]). Die Ausnahmevorschrift hat im deutschen Rechtsraum allerdings eine nur geringe praktische Bedeutung, da sie nur solche verwahrenden Institute erfasst, die rechtliche Eigentümer der verwahrten Aktien sind und die (der Verwahrstelle gehörenden) Stimmrechte aus den verwahrten Aktien nur auf Grund von schriftlichen oder über elektronische Hilfsmittel erteilten Weisungen ausüben.

Nach deutschem Recht wird die verwahrende (Depot-) Bank in aller Regel nicht Eigentümerin der verwahrten Aktien, eine Nichtberücksichtigung gemäß § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG kommt dann nicht in Betracht; ferner erhalten die Depotbanken regelmäßig auch keine Zurechnung der im Eigentum ihrer Kunden stehenden Stimmrechte nach § 34 Abs 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG, da sie im Regelfall die Stimmrechte nur nach Weisungen ihrer Kunden ausüben dürfen.6

Der praktische Hauptanwendungsfall sind daher Verwahrstellen von Fondsgesellschaften („depositories“) im Ausland, da hier die Verwahrstellen Eigentum an den verwahrten Aktien erlangen können. Den wirtschaftlich berechtigten Fonds sind die Stimmrechte zuzurechnen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, I.2.5.2). Allerdings kann es im Einzelfall erforderlich sein, die Voraussetzungen des Eingreifens der Verwahrstellenausnahme mit der Bundesanstalt abzustimmen, denn nach der Verwaltungspraxis der Bundesanstalt kann die Ausnahmevorschrift des § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sich die Tätigkeit des depository auf die reine Verwahrung beschränkt. Werden über die reine Verwahrung hinaus noch andere Absprachen zwischen depository und Kunde getroffen, die dem depository unter bestimmten Voraussetzungen (wirtschaftliche) Rechte an den verwahrten Aktien gewähren, z.B. im Rahmen des Prime Brokerages, so kann von der Verwahrstellenausnahme kein Gebrauch gemacht werden.

Sofern die Verwahrstellenausnahme eingreift (und wenn die Verwahrstelle Eigentümerin der verwahrten Aktien ist), unterbleibt die Benennung der Verwahrstelle in den Mitteilungen (vgl. Nr. 4 im einheitlichen und verpflichtenden Meldeformular nach § 12 Abs. 1 WpAV in Verbindung mit der Anlage zur WpAV).

Beispiel
Verwahrstelle X, Luxemburg, ist Eigentümerin von insgesamt 6,5 % Aktien, wovon sie 4 % Aktien für Fonds A Limited, UK, und 2,5 % für Fonds B Limited, UK, hält. Beide Fonds haben dieselbe Verwaltungsgesellschaft: C Management Limited, UK. Die Tätigkeit von X ist auf die reine Verwahrung der Aktien beschränkt.
Verwahrstelle X und Fonds B Limited sind nicht mitteilungspflichtig, da die Verwahrstelle X nach § 36 Abs. 3 Nr. 2 WpHG die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte nicht berücksichtigen muss und Fonds B Limited weniger als 3 % hält.
Mitteilungspflichtig sind jedoch Fonds A Limited und C Management Limited: Fonds A Limited erhält 4 % gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG als beneficiary zugerechnet, C Management Limited erhält insgesamt 6,5 % gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG zugerechnet. Beide dürfen jedoch nicht Verwahrstelle X in ihren Mitteilungen benennen.

Market Maker (§ 36 Abs. 5 WpHG)

Market Maker ist nach der Legaldefinition in § 36 Abs. 5 WpHG, wer an einem Markt dauerhaft anbietet, Aktien oder sonstige Instrumente im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen zu kaufen oder zu verkaufen. Der Begriff Market Maker in § 36 Abs. 5 WpHG entspricht den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 Buchst. n) der Transparenzrichtlinie und erfasst die Tätigkeit an einem öffentlich zugänglichen Markt, in welchem sich der Market Maker zur Herstellung der Liquidität eines bestimmten Wertpapiers durch das Einstellen von sog. quotes als Käufer oder Verkäufer in diesem Markt anbietet. Der Begriff ist damit enger als der Begriff in Art. 2 Abs. 1 Buchst. k) der EU-LeerverkaufsVO, der auch die Ausführung von Kundenaufträgen oder Aufträgen, die sich aus einem Handelsauftrag eines Kunden ergeben, umfasst.

Für die Einordnung als Market Maker ist hierbei nicht die Bezeichnung als Market Maker entscheidend, sondern dass der Akteur (bspw. als Designated Sponsor) die Merkmale eines Market Makers erfüllt und insoweit als ein Market Maker anzusehen ist.

Der Bestand eines Market Makers gilt als befreit, wenn die betreffende Person

  • in ihrer Eigenschaft als Market Maker handelt,
  • eine Zulassung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG besitzt,
  • nicht in die Geschäftsführung des Emittenten eingreift und keinen Einfluss auf diesen dahingehend ausübt, die betreffenden Aktien zu kaufen oder den Preis der Aktien zu stützen, und
  • der Bundesanstalt unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen, unter Angabe der betroffenen Aktien anzeigt, dass sie als Market Maker tätig ist.

Den Market Maker trifft ebenfalls eine Anzeigepflicht gegenüber der Bundesanstalt, wenn er Aktien oder sonstige Instrumente nicht mehr dauerhaft anbietet (§ 4 Abs. 1 TranspRLDVO). Beide Anzeigen können per Post oder per Fax an die Bundesanstalt erfolgen.

Stimmrechte aus Aktien, die im Market Maker-Bestand gehalten werden, gelten bis 10 Prozent minus ein Stimmrecht vollumfänglich als befreit; ab 10 Prozent Stimmrechte aus Aktien sind die Stimmrechte vollumfänglich zu berücksichtigen.

Beispiel
Ein Market Maker hält 4 % Stimmrechte aus Aktien eines Emittenten im Anlagebestand und 9 % Stimmrechte aus Aktien des gleichen Emittenten im Market Maker-Bestand. Der Market-Maker hat das Überschreiten der 3 %-Schwelle auf 4 % mitgeteilt; der Anteil im Market Maker-Bestand war nicht zu berücksichtigen. Erwirbt er zusätzliche 3 % Stimmrechte aus Aktien für den Market Maker-Bestand, entsteht eine Meldepflicht für das Überschreiten der 5 %-, 10 %- und 15 %-Schwelle auf 16 %.

Die vollumfängliche Nichtberücksichtigung von Stimmrechten aus Aktien im Market Maker-Bestand gilt wieder, sobald der Market Maker-Bestand weniger als 10 Prozent beträgt.

Beispiel
Veräußert im obigen Beispiel (16 % insgesamt, davon 12 % im Market Maker-Bestand) der Market Maker wieder 5 % aus seinem Market Maker-Bestand, wird eine Mitteilungspflicht für das Unterschreiten der 15 %-, 10 %- und 5 %-Schwelle auf 4 % ausgelöst, da die 7 % im Market Maker-Bestand vollumfänglich nicht zu berücksichtigen sind.

Der Market Maker muss auf Verlangen der Bundesanstalt nachweisen können, welche Aktien oder sonstigen Instrumente er in seiner Eigenschaft als Market Maker hält und in welcher Höhe – kann er das nicht, kann die Bundesanstalt anordnen, dass er die Aktien oder sonstigen Instrumente auf einem gesonderten Konto verwahrt (§ 4 Abs. 2 TranspRLDVO).

Fußnoten:

  1. 1 Art. 2 und Art. 3 der KOM-VO 2015/761 verweisen auf die jeweils einschlägigen Bestimmungen der Transparenzrichtlinie. So verweist Art. 2 auf Art. 9, 10 und 13 der Transparenzrichtlinie, womit die Mitteilungspflichten aufgrund bedeutender Stimmrechtsanteile aus direkt gehaltenen (Art. 9) oder zugerechneten (Art. 10) Stimmrechtsaktien und Stimmrechte aus Finanzinstrumenten (Art. 13) gemeint sind. Dabei entspricht Art. 9 der Mitteilungspflicht in § 33, Art. 10 der Zurechnungsnorm in § 34 und Art. 13 der Transparenzrichtlinie entspricht § 38 WpHG.
  2. 2 ABl. L 336 vom 23.12.2003, S. 33.
  3. 3 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.04.2014, ABl. L 173 vom 12.06.2014, S. 1.
  4. 4 Vgl. Erwägungsgrund (6) der KOM-VO (EU) 2016/1052.
  5. 5 Siehe hierzu Art. 1 Buchst. e)- g) der KOM-VO (EU) 2016/1052.
  6. 6 Siehe hierzu bereits unter I.2.5.6.4.

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