Abwicklung
Inhalt
Unter einer Abwicklung ist die Restrukturierung eines Instituts unter Anwendung von Abwicklungsinstrumenten durch eine Abwicklungsbehörde zur Erreichung eines oder mehrerer der gesetzlich festgelegten Abwicklungsziele zu verstehen. Um Abwicklungsziele zu erreichen, kann die Abwicklungsbehörde eines oder mehrere Abwicklungsinstrumente anwenden.
Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen
Voraussetzung für den Erlass einer Abwicklungsmaßnahme durch die Abwicklungsbehörde ist der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall (Bestandsgefährdung) eines Instituts.
Eine Bestandsgefährdung liegt vor, wenn
oder objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einer dieser Umstände in naher Zukunft eintreten wird.
Darüber hinaus müssen folgende weitere Abwicklungsvoraussetzungen vorliegen:
Abwicklungsziele
Bei der Anwendung von Abwicklungsinstrumenten und der Ausübung von Abwicklungsbefugnissen berücksichtigt die Abwicklungsbehörde die Abwicklungsziele und wählt die zum Erreichen dieser Abwicklungsziele am besten geeigneten Abwicklungsinstrumente und Abwicklungsbefugnisse aus.
Im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) sind die folgenden Abwicklungsziele festgelegt:
Bewertung
Bevor eine Abwicklungsanordnung durch die Abwicklungsbehörde erlassen wird, muss die Abwicklungsbehörde eine faire, vorsichtige und realistische Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts durch einen unabhängigen Prüfer veranlassen oder selbst eine vorläufige Bewertung durchführen.
Diese Bewertung dient unter anderem als Beurteilungsgrundlage für die Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen. Sie dient auch als Maßstab dafür, in welchem Umfang die vorgesehenen Abwicklungsinstrumente im konkreten Fall angewendet werden.
Haftungskaskade
Im Rahmen der Verlusttragung und der Rekapitalisierung eines Instituts ist die Abwicklungsbehörde an die sogenannte Haftungskaskade gebunden. Die Haftungskaskade sieht vor, dass Gesellschafter und Gläubiger einer Bank im Rahmen der Abwicklung im gleichen Rang haften wie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Dies führt dazu, dass die nachstehenden Instrumente beziehungsweise Verbindlichkeiten in der folgenden Ordnung nacheinander herangezogen werden:
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass im Fall einer Krise zunächst die Eigentümer und Gläubiger des Instituts zur Lösung der Krise beitragen müssen und nicht mehr die Steuerzah-ler. Die gedeckten Einlagen der Bürger bleiben dabei geschützt.
Zur insolvenzrechtlichen Einordnung von Verbindlichkeiten haben BaFin, Deutsche Bundes-bank und FMSA eine gemeinsame Auslegungshilfe erstellt.
Abwicklungsinstrumente
Neben weitreichenden begleitenden Befugnissen stehen der Abwicklungsbehörde folgende Abwicklungsinstrumente zur Verfügung:
Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente
Die Abwicklungsbehörde hat bei Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen die Anwendung des Instruments der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente anzuordnen, so dass relevante Kapitalinstrumente (Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals und/oder des Ergänzungskapitals) herabgeschrieben und/oder in Anteile oder andere Instrumente des harten Kernkapitals umgewandelt werden. Abhängig von bestimmten weiteren Umständen verlieren hierbei die ursprünglichen Anteilsinhaber eines Instituts ihre Rechtsposition vollständig oder diese wird zumindest verwässert.
Gläubigerbeteiligung („Bail-in“)
Das Instrument der Gläubigerbeteiligung gibt der Abwicklungsbehörde die Befugnis, berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten eines Instituts ganz oder teilweise herabzuschreiben und/oder diese Verbindlichkeiten in Anteile oder andere Instrumente des harten Kernkapitals des Instituts umzuwandeln.
Wie bei dem (vorrangig anzuwendenden) Instrument der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente werden auch beim Instrument der Gläubigerbeteiligung Verluste eines Institutes durch Herabschreibung der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten getragen und diese Verbindlichkeiten im erforderlichen Umfang durch Umwandlung in Anteile oder andere Instrumente des harten Kernkapitals zur Rekapitalisierung des Instituts herangezogen.
Wendet die Abwicklungsbehörde das Instrument der Gläubigerbeteiligung zur Rekapitalisierung eines Instituts an, so muss das Unternehmen einen Restrukturierungsplan erstellen.
Unternehmensveräußerung
Das Instrument der Unternehmensveräußerung ermöglicht der Abwicklungsbehörde, das Institut (oder einen Teil seiner Geschäftsaktivitäten) ohne Zustimmung der Anteilsinhaber auf einen Dritten zu übertragen.
Dabei ist die Abwicklungsbehörde sowohl befugt, Anteile, die von einem in Abwicklung befindlichen Institut ausgegeben wurden, auf den übernehmenden Rechtsträger zu übertragen, oder alle oder einen Teil der Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten des Instituts an den Übernehmenden zu übertragen.
Übertragung auf ein Brückeninstitut
Das Instrument der Übertragung auf ein Brückeninstitut berechtigt die Abwicklungsbehörde, Anteile oder Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten des in Abwicklung befindlichen Instituts auf ein Brückeninstitut zu übertragen. Das Brückeninstitut ist mit dem Ziel zu betreiben,
Das Brückeninstitut kann z.B. genutzt werden, um systemrelevante Teile von nicht systemrelevanten Teilen zu trennen. Durch die Übertragung kritischer Funktionen des Instituts soll erreicht werden, dass diese Funktionen auch während der Abwicklung des Instituts am Markt zur Verfügung stehen.
Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft
Das Instrument der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft berechtigt die Abwicklungsbehörde, die Gesamtheit oder Teile von Vermögenswerten, Rechten und Verbindlichkeiten eines in Abwicklung befindlichen Instituts ohne Zustimmung der Anteilseigener auf eine für die Vermögensverwaltung gegründete Zweckgesellschaft zu übertragen.
Die Abwicklungsbehörde wird mit dem Instrument der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft in die Lage versetzt, die Bilanz des in Abwicklung befindlichen Unter-nehmens oder des Brückeninstituts zu entlasten. Alternativ kann die Übertragung von Vermögensgegenständen auf die Vermögensverwaltungsgesellschaft dazu dienen, die Verwertungserlöse zu maximieren und/oder negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte durch die Verwertung in der Insolvenz zu verhindern (wenn über das Restinstitut ein Insolvenzverfahren eröffnet werden soll).
Dieses Instrument kann nur zusammen mit einem oder mehreren anderen Abwicklungsinstrumenten angewandt werden.
Bewertung zum Vergleich mit einer hypothetischen Insolvenz
Eine Insolvenz verfolgt in erster Linie das Ziel, einen möglichst hohen Erlös aus der Insolvenzmasse für die Gläubiger zu erzielen. Eine Abwicklung nach der BRRD beziehungsweise dem SAG bezweckt hingegen die Erreichung der Abwicklungsziele.
Die Einhaltung des Grundsatzes, dass Anteilsinhaber und Gläubiger bei der Anwendung einer Abwicklungsmaßnahme nicht schlechter als in einem regulären Insolvenzverfahren stehen dürfen, prüft ein unabhängiger Sachverständiger.