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Thema Sanierung/Abwicklung Abwicklung im Überblick

In der Finanzkrise 2007/2008 mussten Staaten große Banken vor dem Kollaps retten, um das Finanzsystem vor weiteren Schäden zu bewahren. Recht schnell war man sich weltweit einig: Es muss ein globales Abwicklungsregime geben, mit dem solche Institute abgewickelt werden können, deren Scheitern erhebliche negative Auswirkungen auf Finanzmärkte und Realwirtschaft haben kann. Mit den Ereignissen rund um das Scheitern der Silicon Valley Bank und um die Notübernahme der Credit Suisse im Frühjahr 2023 erfuhr die Debatte über den Umgang mit Bankenkrisen erneut große Aufmerksamkeit. Grund genug für einen Blick hinter die Kulissen eines komplexen Systems zur Krisenbewältigung.

Die Finanzkrise von 2007/2008 legte offen, wie anfällig das globale Finanzsystem war. Die Pleite der Lehman Brothers Bank führte dazu, dass auch andere Finanzinstitute in ernsthafte Schwierigkeiten gerieten. Das Vertrauen der Banken untereinander war zerstört. Das Problem war, dass die weiteren ins Trudeln geratenen Institute so bedeutsam waren, dass ihre Liquidation in einem normalen Insolvenzverfahren erhebliche Auswirkungen auf die Finanzstabilität gehabt hätte.

Bei regulären Insolvenzverfahren lassen sich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines Ausfalls einer systemrelevanten Bank nicht kontrollieren. Kritische Funktionen, also realwirtschaftlich wichtige Finanz-dienstleistungen, lassen sich nicht aufrechterhalten. Bei einer Insolvenz besteht zudem das Risiko, dass sich finanzielle Verluste durch weitere Ansteckungseffekte unkontrolliert auf das weltweite Finanzsystem ausbreiten.

Um negative Auswirkungen zu verhindern, ergriffen in der Finanzkrise 2007/2008 die betroffenen Länder staatliche Rettungsmaßnahmen (Bail-out). Diese Maßnahmen belasteten die Staatsausgaben erheblich, so dass letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Verluste aufkommen mussten. Prominente Beispiele waren Hypo Real Estate, WestLB und Commerzbank.

Eben diese Erwartung, im Zweifel vom Staat gerettet zu werden, hatte bereits vor der Finanzkrise große Banken zu einer erhöhten Risikoinkaufnahme veranlasst. Dieses Phänomen (Moral Hazard) war mitunter Auslöser und Brandbeschleuniger der Krise 2007/2008. Was verschärfend hinzu kam: Da auch Investoren davon ausgingen, dass systemrelevante Banken im Notfall gerettet würden, konnten sich die Institute an den Kapitalmärkten, gemessen am Risiko, zu vergleichsweise niedrigen Konditionen refinanzieren.

Globale Lösungsansätze nach der Finanzkrise

Die Finanzkrise 2007/2008 brachte weltweit Volkswirtschaften ins Wanken. Die Staats- und Regierungschefs der G20 fassten daraufhin den Entschluss, globale Standards für Abwicklungsregime entwickeln zu lassen, die national umgesetzt werden sollten. Der Anspruch war, Banken im Zweifelsfall nicht mehr mit öffentlichen Mitteln zu retten. Die G20 beauftragten das Financial Stability Board (FSB) damit, solche Standards zu entwickeln. Im Oktober 2011 brachte das FSB die „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“ heraus. In der Europäischen Union flossen sie in die Banking Recovery and Resolution Directive (BRRD) von 2014 ein, die in Deutschland mit dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) aus dem Jahr 2015 umgesetzt wurde.

Abwicklung: ein missverständlicher Begriff

Der deutsche Begriff „Abwicklung“ als Übersetzung von „Resolution“ vermittelt ein irreführendes Bild. Die Grundidee ist nicht, das Geschäft einzustellen und die Erlöse aus der Veräußerung des noch vorhandenen Vermögens an die Gläubiger der Bank zu verteilen, wie es etwa bei einem Insolvenzverfahren der Fall wäre. Stattdessen geht es darum, die Bank durch den Einsatz von Abwicklungsinstrumenten zu stabilisieren und ihre kritischen Funktionen aufrechtzuerhalten. Diese sind dann weiterhin für die Realwirtschaft verfügbar. Auf diese Weise sollen von der Krise der Bank möglichst keine Gefahren für die Finanzmarktstabilität ausgehen.

Wesentliche Elemente des Abwicklungsregimes

Ein mögliches Instrument einer Abwicklung ist der Bail-in, mit dem Verluste auf die Eigentümer, Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und Gläubiger des Instituts verteilt werden und anschließend das Institut rekapitalisiert wird. Andere Instrumente bestehen darin, die Bank oder Teile davon auf ein Brückeninstitut, einen Käufer oder eine Vermögensverwaltungsgesellschaft zu übertragen. All diese Instrumente haben eines gemeinsam: Zunächst tragen immer die Eigentümer, Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und Gläubiger des Instituts die aufgetretenen Verluste – und zwar in der Rangfolge, die sie in einem Insolvenzverfahren hätten. Auf der anderen Seite ist es ein Prinzip der Abwicklung, dass die Eigentümer, Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und Gläubiger des Instituts nicht mehr Verluste tragen, als sie in einem Insolvenzverfahren zu tragen hätten (no creditor worse off).

Abwicklung durch Herabschreibung und Umwandlung

Die Funktionsweise des Abwicklungsregimes lässt sich am Beispiel der Wirkung des Bail-in-Instruments verdeutlichen: Fällt die Bank aus oder droht sie auszufallen, werden zunächst alle ökonomischen Verluste der Bank unabhängig bewertet. Sind die ökonomischen Verluste so hoch, dass der Nettovermögenswert negativ ist, also eine ökonomische Überschuldung vorliegt, werden die Eigenmittel und Verbindlichkeiten der Bank in ihrem Wert gemindert („herabgeschrieben“), bis der Nettovermögenswert der Bank ausgeglichen ist. Die Rangfolge, nach der die Verbindlichkeiten herabgeschrieben werden, wird als Haftungskaskade bezeichnet. Damit verfügt die Bank aber noch nicht über die Eigenmittel, die sie benötigt, um ihr Bankgeschäft auch in Zukunft betreiben zu dürfen. In einem nächsten Schritt wird daher ein Teil der verbleibenden Verbindlichkeiten in neue Eigenmittel umgewandelt. Durch diesen Vorgang werden ehemalige Gläubiger zu neuen Anteilseignern der Bank. Diese Eigenmittel werden in einer Höhe festgelegt die ausreichend ist, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und bei der der Markt darauf vertraut, dass die Bank existenzfähig ist. Wenn das Marktvertrauen wieder hergestellt ist, ist die Bank in der Lage, sich auch im Interbankenmarkt Liquidität zu beschaffen.

Für die Verlusttragung und Rekapitalisierung nach dem Modell des Bail-in haben die Banken einen Mindestbetrag von Eigenmitteln und geeigneten Verbindlichkeiten vorzuhalten, der von der Abwicklungsbehörde jährlich festgelegt wird. Er entspricht in etwa dem Doppelten der Höhe der aufsichtlichen Eigenmittelanforderungen. Innerhalb der EU wird diese Kennzahl als MREL (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities) bezeichnet. Um diese Anforderung zu erfüllen, müssen die Banken Verbindlichkeiten ausgeben, die bestimmte Merkmale aufweisen, zum Beispiel bezüglich der Restlaufzeit oder Nachrangigkeit.

Abwicklung durch Verkauf oder Übertragung

Die Übertragung durch einen Verkauf an einen Dritten kann nur funktionieren, wenn in der Krise schnell und effizient ein Bieterverfahren durchgeführt werden kann. Der Verkauf hat den Vorteil, dass die Rekapitalisierung und künftige Finanzierung auch vom Käufer durchgeführt werden können. Dazu muss aber innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums ein geeigneter Käufer gefunden werden, der auch die Anforderungen einer aufsichtlichen Inhaberkontrolle erfüllt.

Bei der Übertragung auf ein Brückeninstitut besteht dagegen keine Abhängigkeit von Dritten. Dieses Abwicklungsinstrument wird aber nur angewendet, wenn die Bank kritische Funktionen ausübt, die auf das Brückeninstitut übertragen werden können. Die Abwicklungsbehörde kontrolliert das Brückeninstitut, das grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren weiterveräußert werden muss. Beide Instrumente – die Abwicklung durch Verkauf und die durch Übertragung – können entweder als Übertragung von Anteilen (Share Deal) oder als Übertragung von Vermögensgegenständen, Rechtsverhältnissen und Verbindlichkeiten (Asset Deal) gestaltet werden.

Bei einem Asset Deal kann auch auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft übertragen werden. Voraussetzung: Der Asset Deal wird in Kombination mit einem weiteren Instrument (bspw. dem Bail-in) angewandt. Ziel der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft ist es, die Verwertungserlöse, beispielsweise problematischer Vermögensgegenstände, durch Veräußerung oder geordnete Abwicklung zu maximieren.

Für welche Institute käme eine Abwicklung infrage?

Nicht für alle bestandsgefährdeten Banken ist eine Abwicklung die bessere Alternative zu einem regulären Insolvenzverfahren. Eine Abwicklung kommt nur dann infrage, wenn ein öffentliches Interesse daran besteht. Das FSB spricht in seinen Key Attributes grundsätzlich von systemrelevanten Banken – genauer gesagt: von Banken „that could be systemic in failure“. Einige Länder haben hierzu quantitative Grenzwerte festgelegt. In der Europäischen Union und somit auch in Deutschland werden die Voraussetzungen individuell geprüft. Das öffentliche Interesse wird daran gemessen, mit welchem Verfahren – einer Insolvenz oder einer Abwicklung – sich die gesetzlich vorgegebenen Abwicklungsziele am besten erreichen lassen, also zum Beispiel die Fortführung kritischer Funktionen und die Abwendung von Gefahren für die Finanzstabilität.

Die Entscheidung, ob eine Bank abgewickelt werden soll, hängt nicht allein von ihrer Größe oder Vernetzung ab, sondern auch sehr stark vom jeweiligen Bankenmarkt und der spezifischen Krise. So können Banken vergleichbarer Größe und Vernetzung in Ländern mit vielen Finanzakteuren als weniger systemrelevant angesehen werden als in Ländern, in denen eine solche Bank einen großen Marktanteil hat. Der Finanzplatz Deutschland ist mit rund 1.200 Banken sehr heterogen. Auch wenn von diesen nur wenige, sehr bedeutende Institute für eine Abwicklung vorgesehen sind, entfallen auf diese knapp zwei Drittel der Bankaktiva der Institute in Deutschland.

Das bedeutet nicht, dass große Teile des deutschen Bankensektors in schlechtem Zustand wären. Das bedeutet: Geriete eines dieser Institute in Schieflage, könnte die BaFin Gefahren für die Finanzstabilität vermeiden, indem sie das Institut abwickelt.

Abwicklungsplanung

Ein weiteres wesentliches Element des Abwicklungsregimes sind Abwicklungspläne, die vorbereitet werden, damit eine Abwicklung im Ernstfall reibungslos funktioniert. Die Abwicklungsbehörde entwickelt diese Pläne in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Bank. Darin legt die Abwicklungsbehörde die Abwicklungsstrategie fest und beurteilt die Abwicklungsfähigkeit. Die Abwicklungsstrategie beinhaltet auch, bei welcher rechtlichen Einheit innerhalb einer Bankengruppe Abwicklungsmaßnahmen durchgeführt werden.

Auch für Banken, für die ein Insolvenzverfahren als Abwicklungsstrategie vorgesehen ist, wird ein Abwicklungsplan erstellt. Allerdings können für diese Institute vereinfachte Anforderungen gelten, so dass für sie keine umfangreiche Abwicklungsplanung erforderlich ist.

Die Abwicklungsbehörde aktualisiert die Abwicklungspläne jährlich. Dies geschieht auf Basis von Daten, die die Banken der Abwicklungsbehörde jedes Jahr melden müssen. Institute, für die vereinfachte Anforderungen gelten, müssen in der Regel solche Meldungen nicht einreichen.

Wer entscheidet?

Innerhalb der Eurozone – auch als Bankenunion bezeichnet – folgt die Zuständigkeit als Abwicklungsbehörde im Wesentlichen dem System der Bankenaufsicht (siehe Infokasten „Wer ist zuständig?“): Die bedeutenden Banken (significant institutions) werden im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt. Für diese Banken ist im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) der Einheitliche Ausschuss für die Abwicklung (Single Resolution BoardSRB) die zuständige Abwicklungsbehörde. Der in Brüssel ansässige SRB ist verantwortlich für die Abwicklungsplanung dieser Institute und die Entscheidung über eine Abwicklung. Die nationalen Abwicklungsbehörden, in Deutschland die BaFin, arbeiteten hierbei mit dem SRB zusammen – vor allem in den Internal Resolution Teams. Das gilt für die Abwicklungsplanung und den Krisenfall. Die BaFin ist außerdem als nationale Abwicklungsbehörde zuständig für die weniger bedeutenden Institute (less significant institutionsLSIs) mit Sitz in Deutschland. Sie verantwortet deren Abwicklungsplanung und die Entscheidung über eine Abwicklung.

Auf einen Blick

Wer ist zuständig?

1. Abwicklung in der Bankenunion

Im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution MechanismSRM) gibt es zwei Zuständigkeiten:

BaFin als nationale Abwicklungsbehörde

Die BaFin ist als nationale Abwicklungsbehörde (NAB) zuständig für die deutschen Institute, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) als nicht bedeutend eingestuft sind (Less Significant InstitutionsLSIs).
Des Weiteren ist die BaFin auch zuständig für Finanzmarktinfrastrukturen (Financial Market InfrastructuresFMIs) mit Bankerlaubnis. Zudem ist sie als Abwicklungsbehörde zuständig für zentrale Gegenparteien (Central CounterpartiesCCPs) mit und ohne Bankerlaubnis.

Ausschuss für die einheitliche Abwicklung (Single Resolution BoardSRB)

Im Gegensatz zur BaFin ist der SRB im SRM nur für die Abwicklung von CRR1-Kreditinstituten zuständig. In seine Zuständigkeit fallen

- die Institute, die von der EZB als bedeutend eingestuft sind (Significant InstitutionsSIs),
- grenzüberschreitend tätige LSIs und
- LSIs, bei denen die Zuständigkeit auf den SRB übergegangen ist.

Für jedes Institut bzw. jede Institutsgruppe unter seiner Zuständigkeit hat der SRB interne Abwicklungsteams (Internal Resolution TeamsIRTs) eingerichtet. In diesen Teams arbeiten der SRB und die jeweils zuständigen nationalen Abwicklungsbehörden zusammen.

2. Abwicklung in der Europäischen Union und Kooperation mit Drittstaatenbehörden

Der SRB und/oder die nationalen Abwicklungsbehörden richten Abwicklungskollegien ein, um die Zusammenarbeit verschiedener Abwicklungsbehörden in der Bankenunion, in der EU und in Drittstaaten zu koordinieren.

Für alle Institute, die der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability BoardFSB) als global systemrelevant klassifiziert hat (Global Systemically Important BanksG-SIBs), werden Crisis Management Groups (CMGs) eingerichtet.

1 CRR steht für Capital Requirements Regulation (Kapitaladäquanzverordnung).

Was bedeutet Abwicklungsfähigkeit?

Aufgabe der Abwicklungsbehörde ist es, darauf hinzuwirken, dass die Institute abwicklungsfähig sind, sprich: dass sie im Notfall reibungslos abgewickelt werden können. Bei der jährlichen Aktualisierung der Abwicklungspläne und durch regelmäßige Tests prüft die Abwicklungsbehörde laufend die Fortschritte der Institute mit Blick auf ihre Abwicklungsfähigkeit. Einmal erreicht, muss der Zustand der Abwicklungsfähigkeit auch auf Dauer bestehen bleiben.

Abwicklungsfähig zu sein bedeutet, dass die Abwicklungsbehörde ihre Strategien in einer Krise effektiv umsetzen kann. In einer Krise gibt es immer nur eine Chance, eine Bestandsgefährdung abzuwenden. Wurde die Umsetzung der Abwicklungsstrategie nicht vorbereitet, ist der Erfolg der Abwicklungsmaßnahme gefährdet. Daher müssen Banken fortlaufend ihre Krisenfähigkeiten ausbauen. Die Abwicklungsbehörden definieren konkrete Anforderungen und überprüfen regelmäßig die Fortschritte der Banken. Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Jahre. In dieser Zeit treiben Abwicklungsbehörde und Bank die Herstellung der Abwicklungsfähigkeit gemeinsam voran. Nach der Anfangsphase des europäischen Abwicklungsregimes wird seitens der Abwicklungsbehörden und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking AuthorityEBA) die Erwartung geäußert, dass die Banken, die für eine Abwicklung vorgesehen sind, grundsätzlich bis 2024 abwicklungsfähig sind.

Bei einer Abwicklung gibt es keine Alleingänge

Vor besondere Herausforderungen stellen die Abwicklungsbehörden international tätige Gruppen. Diese Herausforderungen können nur international bewältigt werden. Dazu stehen verschiedene Foren zur Verfügung. Grundsätzliche Fragen werden in Gremien von FSB, EBA oder dem SRM behandelt. Für den Austausch zu einzelnen Unternehmen gibt es innerhalb der Europäischen Union Abwicklungskollegien und international Crisis Management Groups (siehe Infokasten „Wer ist zuständig?“)

Die Abwicklung einer Bank beschäftigt aber nicht nur die Abwicklungsbehörden der verschiedenen Länder. Auch Ministerien, Aufseherinnen und Aufseher von Banken, Zentralbanken, Einlagensicherungseinrichtungen und Finanzmarktinfrastrukturen sind involviert – und zwar bereits bei der Abwicklungsplanung. Alle Beteiligten müssen ihre Rolle und Aufgaben in einer Krise verstehen und in der Lage sein, die Entscheidungsprozesse zu unterstützen – nur so können die Krisenprozesse reibungslos funktionieren.

Übungen für den Ernstfall

Die Abwicklungsbehörden führen daher regelmäßig Krisenübungen durch. Solche Übungen können sich auf die Abstimmungsprozesse zwischen den Behörden konzentrieren, aber auch die Krisenbewältigung potenziell betroffener Banken umfassen. Anhand konkreter Fallbeispiele werden mögliche Szenarien simuliert:

Ist die Krise plötzlich aufgetreten oder befand sich die Bank seit längerer Zeit in Restrukturierung? Welche Informationen sind schon öffentlich bekannt? Liegt dem Vorfall ein externer Schock zugrunde oder besteht eine systemweite Krise? Und: Sind unter Umständen andere Marktteilnehmer dazu bereit, der Bank unter die Arme zu greifen? Solche freiwilligen Maßnahmen, etwa der Institutssicherungssysteme oder der Eigentümer, aber auch private Übernahmen durch Mitbewerber machen ein behördliches Handeln dann entbehrlich. Wenn solche Alternativen fehlen, muss in der Regel abgewickelt werden.

Das zeigt: Die Krisenbewältigung hängt stark vom Einzelfall ab und Abwicklung kann nicht losgelöst vom sonstigen Geschehen gedacht werden. Regelmäßige Tests, ob als Krisenübung oder in anderer Form, sind daher von großer Bedeutung – für Behörden und für Banken.

Ende gut, alles gut?

Bei einer Abwicklung ist schnelles und koordiniertes Handeln gefragt. Die Abwicklungsbehörden bezeichnen den Höhepunkt einer Krise meist als Abwicklungswochenende. Auch wenn sich eine Krise nicht nach Wochentagen richtet, bleibt es dabei, dass eine Abwicklungsstrategie, die auf aktuell verfügbaren Informationen basiert, innerhalb weniger Tage umgesetzt werden muss. In dieser Zeit arbeiten die betroffene Bank, die Abwicklungsbehörde, Bewerter, Ministerien und Aufseherinnen und Aufseher auf Hochtouren um die neuesten Informationen zusammenzuführen, Schriftstücke, wie die Abwicklungsanordnung, zu verfassen und alle Beteiligten einzubinden. Die im Plan vorgesehene Abwicklungsstrategie muss angesichts der aktuellen Krisenumstände noch einmal überprüft und bewertet werden. Außerdem müssen die notwendigen Berechnungen für den Bail-in oder einen Verkauf getätigt werden.

Rechtlich wirksam wird die Abwicklung, sobald die BaFin die Abwicklungsanordnung veröffentlicht. Diese Anordnung umfasst sämtliche Maßnahmen und Befugnisse. Mit ihrer Veröffentlichung beginnt die Phase der operativen Umsetzung der Abwicklungsmaßnahmen. Im Vordergrund steht dabei die Stabilisierung der Bank.

Auf technischer Ebene spielen Zentralverwahrer und andere Finanzmarktinfrastrukturen eine wichtige Rolle: Sie buchen die Herabschreibung und Umwandlung bestimmter Verbindlichkeiten, um sicherzustellen, dass sich die korrekten Beträge und Wertpapiere in den Depots der Eigentümer und Gläubiger wiederfinden.

Zur Stabilisierung der Bank ist vor allem der Zugang zu Liquidität zu sichern, und zwar zu Konditionen, die den zukünftigen Bestand des Instituts nicht infrage stellen. Die Bereitstellung von Liquidität und die Finanzierung des fortlaufenden Bankgeschäfts erfolgen stets auf Basis der Entscheidungen der jeweiligen Marktteilnehmer. Aus diesem Grund ist das Vertrauen der Marktteilnehmer in die langfristige Solidität der Bank nach der Abwicklung von besonderer Bedeutung. Es ist ein äußerst wichtiger Aspekt, der bei der Gestaltung der Abwicklungsmaßnahme zu berücksichtigen ist, um sicherzustellen, dass die Bank wieder über den Markt mit Liquidität und Finanzierungsmitteln versorgt werden kann.

Damit das Vertrauen des Markts erhalten bleibt, müssen die Gläubiger einer Bank genügend Zeit haben, um die Situation der Bank nach einer Abwicklung hinreichend beurteilen zu können. Falls erforderlich, kann in der Bankenunion der Einheitliche Abwicklungsfonds (Single Resolution FundSRF) diese Zeit durch Liquiditätsmaßnahmen wie Kredite und Garantien überbrücken.

Eine Abwicklungsmaßnahme darf die Gläubiger einer Bank nicht schlechter stellen, als es in einer Insolvenz der Fall gewesen wäre. Ob dies dennoch der Fall war, prüft nach der Abwicklung ein unabhängiger Bewerter. Dabei werden die Verluste, die die Eigentümer, Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und Gläubiger des Instituts bei einer Abwicklung tragen, mit den Verlusten verglichen, die sie bei einem – hypothetischen – regulären Insolvenzverfahren erlitten hätten. Sind die abwicklungsbedingten Verluste höher, erhalten die betroffenen Gläubiger eine Entschädigung aus dem SRF.

Starkes Plus an Stabilität

Die Abwicklung einer Bank oder Bankengruppe ist ein sehr komplexer Vorgang, der von allen Beteiligten ein hohes Maß an fachlichen und technischen Krisenmanagementfähigkeiten erfordert. Die Einführung eines funktionsfähigen Abwicklungsregimes, als Alternative zur Insolvenz, hat das Finanzsystem bereits signifikant stabilisiert. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch das FSB in dessen Bericht1 zur Aufarbeitung der Krisenfälle der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse im März 2023. Danach stellen die Geschehnisse das Abwicklungsregime keineswegs infrage, sondern geben Anlass für Weiterentwicklungen eines angemessenen und funktionsfähigen Rahmenwerks.

1https://www.fsb.org/wp-content/uploads/P101023.pdf, Seite 2.

Verfasst von Dr. Manfred Heemann und Janine Schaaf, BaFin – Geschäftsbereich Abwicklung und Geldwäscheprävention

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