Erscheinung:05.01.2009, Stand:geändert am 18.12.2024 | Thema Erlaubnispflicht Merkblatt Factoring
Inhalt
- I. Einführung
- II. Gesetzlicher Tatbestand des Factorings
- III. Abgrenzungsfragen
- IV. Konkurrenzverhältnis zum Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG)
- V. Konkurrenzverhältnis zum Finanztransfergeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG)
- VI. Erlaubnispflicht des Factoring
- VII. Ausnahmen von der Erlaubnispflicht
- VIII. Hinweise und Anschriften
Merkblatt - Hinweise zum Tatbestand des Factoring
(Stand: Dezember 2024)
I. Einführung
Der Tatbestand des Factorings § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG wurde erstmals – zusammen mit dem Finanzierungsleasing (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG) – durch Art. 27 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 mit Wirkung zum 25.12.2008 in den Katalog der Finanzdienstleistungen unter § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG eingestellt.
Unter Factoring versteht man den Erwerb von Forderungen von einem Kreditor (Forderungsverkäufer) gegen einen oder mehrere Debitoren (Forderungsschuldner) durch den Factor (Forderungskäufer). Der Begriff des Factorings wird für eine Vielzahl von Geschäftsmodellen verwendet. Dabei wird nicht immer trennscharf zwischen Forderungserwerb und Forderungseinzug unterschieden und mitunter auch eine bloße Inkassotätigkeit bzw. Abrechnungstätigkeit als Factoring beworben.
Dem Factoring können drei Funktionen zukommen:
Die Übernahme der Debitorenverwaltung (Dienstleistungsfunktion), die Übernahme des Ausfallrisikos (Delkrederefunktion) sowie die Kreditierung der Forderungen (Finanzierungsfunktion).
Beim sog. echten Factoring („non-recourse-factoring“) übernimmt der Factor bei Forderungserwerb das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Debitors. Diese Übernahme des Delkredererisikos hebt das echte Factoring aus dem Darlehensrecht und damit aus dem Kreditgeschäftstatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG.
Beim sog. unechten Factoring („recourse factoring“) trägt der Factor nicht das Delkredererisiko und behält sich die Rückbelastung des an den Kreditor gezahlten Forderungskaufpreises bei Zahlungsausfall des Debitors vor. Zivilrechtlich wird die Forderung nur erfüllungshalber (vgl. § 364 Abs. 2 BGB) auf den Factor übertragen. Solche Verträge sind nach höchstrichterlich gefestigter Rechtsprechung zivilrechtlich nicht als Kauf, sondern als Darlehen zu werten.
Die Art der Forderungsabtretung ist für die Einstufung als erlaubnispflichtiges Factoring nicht relevant, so dass die offene Abtretung, bei der der Debitor über die Abtretung in Kenntnis gesetzt wird (offenes Factoring), die stille Abtretung, bei der der Debitor nicht informiert wird (stilles Factoring) sowie alle möglichen Zwischenformen (halb-offenes Factoring) unter den Tatbestand fallen können.
Es kommt für die aufsichtsrechtliche Beurteilung auf die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit als Ganzes an. Letztendlich fällt nur ein Teil der am Markt ausgeübten Factoringtätigkeiten auch tatsächlich unter die Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 KWG. Jedoch können solche Tätigkeiten ggf. als Kreditgeschäft (Bankgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) oder als Finanztransfergeschäft (Zahlungsdienst im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG) qualifizieren.
Der Tatbestand des Factorings fällt mit dem Geschäftstyp des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG (Erwerb von Geldforderungen) zusammen; er ist mathematisch ausgedrückt eine echte Teilmenge. Die Regelung in § 1 Abs. 3 KWG ist subsidiär. Sie fungiert als Auffangtatbestand; im Rahmen der laufenden Institutsaufsicht kommt ihr eine wichtige Funktion im Rahmen der bankaufsichtsrechtlichen Konsolidierung zu.
II. Gesetzlicher Tatbestand des Factorings
Der Finanzdienstleistungstatbestand „Factoring“ setzt voraus:
- den „Ankauf“ von Forderungen;
- laufend, auf der Grundlage von Rahmenverträgen;
- Finanzierungsfunktion.
1. Ankauf von Forderungen
Gegenstand des Factorings sind typischerweise Geldforderungen. Der gesetzliche Tatbestand nimmt hinsichtlich des Forderungsgegenstandes jedoch keine Einschränkung vor. In Betracht kommt auch jede andere geldwerte Forderung, die sachlich Gegenstand von Rahmenverträgen sein kann. Die Forderung, die Gegenstand des „Ankaufs“ ist, kann ihrerseits auf einem Rechtsgeschäft beruhen; sie mag sich aber auch aus jedem anderen Rechtsgrund (e.g. Schadenersatz, ungerechtfertigte Bereicherung) ergeben. Das Gesetz hält sich an dieser Stelle bewusst offen.
„Ankauf“ ist jeder schuldrechtliche Vertrag, unabhängig davon, ob der Vertrag deutschem Recht oder einem ausländischen Schuldrechtsstatut unterstellt wird, der auf den Erwerb der Forderung gerichtet ist. Der „Ankauf“ kann ein Kaufvertrag sein, die Praxis spricht dann von einem echten Factoring, für das charakteristisch ist, dass der Kreditor nur für den rechtlichen Bestand der Forderung, nicht jedoch für die Bonität des Debitors haftet. Das Delkredere- oder Forderungsausfallrisiko trägt der Factor. Auch Fälle des unechten Factorings, bei denen sich der Factor den Rückgriff auch bei mangelhafter Bonität des Debitors vorbehält und dessen Verträge nach höchstrichterlich gefestigter Rechtsprechung als Darlehensverträge zu werten sind, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers unter den neuen Tatbestand fallen. Hierzu führt die amtliche Begründung aus:
„Die Wahrnehmung der Finanzierungsfunktion rechtfertigt es, Factoringunternehmen gleichermaßen unter die Regelung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG zu ziehen, ob sie nun neben der Finanzierungsfunktion auch die Delkrederefunktion übernehmen (sog. „echtes Factoring“) oder nicht (sog. „unechtes Factoring“).“1
Unter den „Ankauf“ können schließlich auch andere Vertragstypen fallen, die in der Praxis bislang soweit ersichtlich keine Rolle gespielt haben, solange dem Geschäft nur eine wie auch immer geartete Finanzierungsfunktion zukommt.
Das Vertragsverhältnis zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen, das der BGH nicht als Forderungskauf, sondern als abstraktes Schuldversprechen qualifiziert2, fällt nicht unter § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG; es fehlt insoweit bereits auch im weitesten Sinne an einem Ankauf wie er eingangs definiert worden ist.
2. "laufend, auf der Grundlage von Rahmenverträgen"
Nicht jeder Ankauf von Forderungen ist Factoring. Zwischen Factor und Kreditor muss eine laufende Geschäftsbeziehung bestehen, in deren Rahmen der Factor immer wieder Forderungen ankauft. Der erstmalige Aufkauf eines Forderungsbestandes begründet danach nur dann den Tatbestand des Factorings, wenn die Parteien weitere Geschäfte dieser Art vorhaben. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn dieses Vorhaben vertraglich festgehalten ist.
Darüber hinaus muss diesen Geschäften eine Rahmenvereinbarung zugrunde liegen, die nicht notwendigerweise schriftlich zu fixieren ist. Es genügt, dass insoweit eine ggf. auch nur konkludent geschlossene Rahmenvereinbarung besteht, die über den Ankauf des einzelnen Forderungsbestandes hinaus Gültigkeit haben soll.
Die Parteien haben es so bei echten Kaufverträgen (mit Übernahme des Delkredererisikos durch den Factor in der Hand, die Qualifikation des Geschäfts als Factoring im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG auszuschließen, indem sie eine über den Ankauf des einzelnen Forderungsbestandes hinausgehende Rahmenvereinbarung explizit ausschließen und die „Rahmenbedingungen“ für jeden „Ankauftermin“ neu aushandeln. Ein solcher Ausschluss kann aber stets nur der Klarstellung des tatsächlichen Sachverhalts dienen und die fehlende Verklammerung der einzelnen Forderungsankäufe verdeutlichen. Die bloße Erklärung des Ausschlusses selbst führt aber nicht dazu, dass ein bestehender Rahmenvertrag aufsichtsrechtlich nur als Einzelvereinbarung bzw. unverbindlicher Rahmen einer Vielzahl von Einzelvereinbarungen zu werten ist. Entscheidend ist die Gesamtschau der vertraglichen Unterlagen und des (Lebens-)Sachverhalts. Weiterhin stellt der Ausschluss einer Rahmenvereinbarung dann jedoch keinen Ausweg dar, wenn sich der Factor wie beim sogenannten unechten Factoring den Rückgriff auch für den Fall mangelhafter Bonität des Debitors vorbehält und der Vertrag zivilrechtlich folgerichtig Darlehensrecht zu unterstellen ist. Vielmehr lebt dann der Tatbestand des Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) wieder auf, der hinter den neueren Tatbestand des Factorings grundsätzlich zurücktritt.3
3. Finanzierungsfunktion
Nicht jeder auf eine Rahmenvereinbarung gestützter laufende Ankauf von Forderungen fällt unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG. Voraussetzung ist nach dem gesetzlichen Zweck, dass dem Geschäft eine wie auch immer geartete Finanzierungsfunktion zukommt. Mit dem Verkauf der Forderungen fließt dem Kreditor der Barerlös noch vor der Fälligkeit der veräußerten Forderung zu und erspart ihm die Aufnahme eines Bankkredits für Investitionen oder Rechnungen. Fehlt die Finanzierungsfunktion gänzlich, wie grundsätzlich beim Fälligkeitsfactoring, so ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG nicht einschlägig. Dazu die amtliche Begründung:
„Beim sog. Fälligkeitsfactoring übernimmt der Factor zwar die Dienstleistungs- und Delkrederefunktion, die Finanzierungsfunktion fällt indessen teilweise oder ganz weg. Fällt die Finanzierungsfunktion ganz weg, so ist nach Sinn und Zweck der Bestimmung auch der § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG nicht einschlägig.“4
Die amtliche Begründung betont unterdessen ausdrücklich, dass die Finanzierungsfunktion ganz wegfallen müsse, damit der Tatbestand nach Sinn und Zweck der Bestimmung nicht einschlägig sei. So gibt es keinen Grund, den laufenden Ankauf von Rücklastschriften und sonstigen fälligen Forderungen unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Finanzierungsfunktion aus dem Tatbestand des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG zu nehmen, wenn der Kreditor für die Bonität der Debitoren einzustehen hat.
Allein bei regresslosem Ankauf fälliger Forderungen, zivilrechtlich Kaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. BGB, fehlt hingegen die Finanzierungsfunktion, die es sachlich rechtfertigte, das Factoring in die Nähe der Bankgeschäfte zu rücken. Der Gesetzgeber hat insoweit klar entschieden, dass diese Fälle des echten Factorings nicht unter den § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG fallen. Geschäfte dieser Art haben nicht mehr an Finanzierungsfunktion als jeder andere Kauf auch.
Entscheidend für das Vorliegen des Tatbestands des Factorings ist also insoweit die Frage, ab wann der Kreditor die Auszahlung des Forderungskaufpreises erhält bzw. verlangen kann.
Beispiel Rücklastschriftgeschäft
Einzelne Geschäftsbesorger haben sich darauf spezialisiert, auf der Grundlage von Rahmenverträgen Einzelhändlern die „Forderungen aus Rücklastschriften“5 abzukaufen. Der Geschäftsbesorger, der oft, aber nicht notwendig auch der Netzbetreiber ist, kauft die an sich fälligen, jedoch gestörten Forderungen so an und zahlt den Händler direkt aus. Das Risiko mangelhafter Bonität des Kunden oder des (angeblich) unberechtigten Gebrauchs der Zahlungskarte übernimmt üblicherweise der Geschäftsbesorger, so dass in diesen oder vergleichbaren Fällen des (grundsätzlich) regresslosen Forderungsankaufs eher ein Zahlungsersatzinstrument, ähnlich einer Kreditkartenzahlung, zu sehen ist und keine Finanzierung des Händlers. Allein wenn die Berechtigung der Forderung selbst (zwischen dem Händler und seinem Kunden, dem Debitor, sog. „Veritätsrisiko“) im Streit ist, dann ist nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag der Streit auch zwischen dem Händler und seinem Kunden zu klären und hat der Händler den Forderungskaufpreis an den Geschäftsbesorger zurück zu überweisen.
Diese Art von Geschäftsbesorgung fällt nicht unter den Tatbestand des Factorings im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG.
Anders jedoch, wenn der Verkäufer noch vor der Zession die an sich fällige Forderung gestundet oder mit dem Debitor ein Vollstreckungs- oder Stillhalteabkommen geschlossen hat. In beiden Fällen hat der Ankauf trotz formaler Fälligkeit der angekauften Forderung eine Finanzierungsfunktion.
Dem regresslosen Ankauf von fälligen Forderungen steht gleich, wenn noch nicht fällige Forderungen angekauft werden, der Kaufpreis aber erst mit oder nach der Fälligkeit der verkauften Forderungen fällig werden soll.
III. Abgrenzungsfragen
Typischerweise kauft der Factor ganze Forderungsbestände auf. Es sind aber auch Dienstleister auf dem Markt, die ihren Kunden ermöglichen, durch den Verkauf einzelner Forderungen ihren kurzfristigen Kapitalbedarf abzudecken. Auch so ein „Einzelfactoring“ fällt unter § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG. Die entscheidende Tatbestandsfilterfunktion liegt auch hier auf dem Merkmal des laufenden Ankaufs auf der Grundlage von Rahmenverträgen. Wird eine solche Rahmenvereinbarung nicht geschlossen, etwa da der Factor gar nicht daran denkt, diesem Kunden weitere Finanzierungen dieser Art anzubieten, oder sie auch nur von Fall zu Fall erwägen will, ist das Geschäft nicht als Factoring im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG zu qualifizieren.
Beim Mietfactoring gewährt der Factor dem Kreditor die Möglichkeit, ihm unter bestimmten Bedingungen rückständige Mietforderungen abzutreten. Da die Mietforderungen fällig sind, handelt es sich um einen Unterfall des Fälligkeitsfactorings, der nicht unter § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG fällt, wenn der Factor mit dem Ankauf das Delkredererisiko übernimmt.
Typischerweise ist Factoring eine Sache zwischen Factor und Kreditor; die beiden schließen einen Rahmenvertrag, auf dessen Grundlage der Factor dann bestimmte Forderungen des Kreditors laufend ankauft und ihm so seine Forderungen gegenüber den Debitoren vorfinanziert. Der gesetzliche Tatbestand setzt indessen jedoch nur voraus, dass ein Rahmenvertrag geschlossen wird. Er lässt offen, wer Partei der Rahmenvereinbarung wird, und bezieht so auch das sog. Reverse-Factoring mit ein, bei dem die Initiative bei dem Abnehmer liegt, der sich in den Genuss längerer Zahlungsziele bringt, indem er mit dem Factor eine Rahmenvereinbarung schließt, die diesen verpflichtet, die Forderungen eines bestimmten Lieferanten vorzufinanzieren. Diese Rahmenvereinbarung genügt für die Zwecke des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG. In der Regel werden der Factor und der Kreditor jedoch auch dann noch eine ergänzende Rahmenvereinbarung schließen, die nur die Forderungen an diesen Debitor umfasst, so dass dem Tatbestandsmerkmal „auf der Grundlage von Rahmenverträgen“ gleich zweifach genügt sein wird.
Zweckgesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 26 KWG mussten vom Anwendungsbereich des Factorings nicht gesondert ausgenommen werden. Durch die Bezugnahme auf den Factoringbegriff ist klargestellt, dass grundsätzlich nur der laufende Ankauf von Forderungen aufgrund einer Rahmenvereinbarung den Tatbestand erfüllen kann. Dies ist bei Zweckgesellschaften typischerweise gerade nicht der Fall. Auch Forderungskäufe durch Zweckgesellschaften im Rahmen sog. revolvierender ABS-Transaktionen werden von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG nicht erfasst.6
IV. Konkurrenzverhältnis zum Kreditgeschäft
(§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG)
Der Ankauf von Forderungen ohne Übernahme des Delkredererisikos unterfällt zivilrechtlich grundsätzlich Darlehensrecht (§§ 488 ff. BGB) und ist folgerichtig in der Regel als Kreditgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG einzustufen. Erfüllt diese Art von Ankauf jedoch die Voraussetzungen, um als Factoring-Finanzdienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG qualifiziert zu werden, so geht dieser Tatbestand entgegen der Grundregel in § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG, die grundsätzlich den Vorrang des Bankgeschäfts statuiert, vor. Hierzu die amtliche Begründung im Regierungsentwurf:
„Unbeschadet der zivilrechtlichen Einordnung des unechten Factorings als Darlehen im Sinne des § 488 BGB soll auf dieses Geschäft der Tatbestand des Kreditgeschäfts des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG entgegen seinem Wortlaut nicht zur Anwendung kommen. In Durchbrechung des in § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG grundsätzlich verankerten Prinzips des Vorrangs des Bankgeschäfts soll das Factoring in dem neuen § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG als Finanzdienstleistungstatbestand abschließend geregelt werden.“
Auch das Unternehmen, welches das unechte Factoring betreibt, ist deswegen nicht Kreditinstitut, sondern nur Finanzdienstleistungsinstitut, das unter die erleichterten Aufsichtsanforderungen nach § 2 Abs. 7 Satz 2 KWG fällt.
V. Konkurrenzverhältnis zum Finanztransfergeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG)
Der Ankauf von Forderungen kann je nach Ausgestaltung auch den Tatbestand des Finanztransfergeschäfts erfüllen. Dabei ist nach dem ZAG unbeachtlich, dass der Factor zivilrechtlich betrachtet eigene Forderungen einzieht. Ebenso ist die zeitliche Abfolge des Geldflusses für die Erfüllung des ZAG-Tatbestandes nicht relevant. Der Forderungskäufer nimmt aufsichtsrechtlich für den Kreditor Gelder entgegen und macht sie ihm verfügbar.
Für die Abgrenzung der beiden Tatbestände kommt es darauf an, ob bei der konkreten Tätigkeit nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Finanzierung des Kreditors oder die Etablierung eines Verfahrens zur Zahlungsabwicklung im Vordergrund stehen soll.
VI. Erlaubnispflicht des Factoring
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der BaFin, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will7. Die Erfüllung einer Alternative genügt, um die Erlaubnispflicht des Geschäfts zu begründen. Auf die Rechtsform des Unternehmens (natürliche Person, Personengesellschaft, juristische Person) kommt es dabei nicht an.
Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte werden, auch wenn der Umfang dieser Geschäfte objektiv keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, gewerbsmäßig betrieben, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber ihn mit der Absicht der Gewinnerzielung verfolgt.
Alternativ gilt das Kriterium des Erfordernisses eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs. Hierbei ist es unerheblich, ob tatsächlich ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb geführt wird. Maßgebend ist allein, ob für den Betrieb der Geschäfte nach der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung die Einrichtung eines solchen Betriebs objektiv erforderlich ist. Dies ist im Einzelfall zu bestimmen und kann sich beim gleichzeitigen Betreiben mehrerer Bank-/Finanzdienstleistungsgeschäfte auch bei einem vergleichsweise geringen Geschäftsumfang ergeben.
Unter den Erlaubnisvorbehalt nach § 32 Abs. 1 KWG fällt das Geschäft nur, wenn es (auch) im Inland betrieben wird. Dazu muss der Betreiber nicht hierzulande seinen Geschäftssitz haben oder eine rechtlich unselbständige Zweigniederlassung errichten, von der aus er die Geschäfte betreibt. Der erforderliche Inlandsbezug besteht bereits, wenn sich das Angebot aus dem Ausland auch und gerade an Personen richtet, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nähere Hinweise gibt das „Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften“. Der erforderliche Inlandsbezug besteht auch, wenn aus dem Inland heraus die Geschäfte gezielt nur mit Nicht-Gebietsansässigen betrieben werden.
VII. Ausnahmen von der Erlaubnispflicht
Bereichsausnahmen (§ 2 Abs. 6 KWG)
Wenn eine der in § 2 Abs. 6 KWG abschließend aufgeführten Bereichsausnahmen einschlägig ist, gilt das betroffene Unternehmen nicht als Finanzdienstleistungsinstitut im Sinne des KWG und unterliegt dann auch nicht dem Erlaubnisvorbehalt des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, der wenn auch regelungstechnisch nicht sauber verfügt, doch nach Sinn und Zweck an die Institutseigenschaft des ggf. erlaubnispflichtigen Unternehmens anknüpft. Die Bereichsausnahmen des § 2 Abs. 6 KWG greifen kraft Gesetzes, einer Bestätigung durch die BaFin im konkreten Einzelfall bedürfen sie nicht.
VIII. Hinweise und Anschriften
Dieses Merkblatt enthält grundlegende Informationen zum Tatbestand des Factorings. Es erhebt keinen Anspruch auf eine erschöpfende Darstellung aller den Tatbestand betreffenden Fragen und ersetzt insbesondere nicht die einzelfallbezogene Erlaubnisanfrage an die BaFin.
Falls Sie zu diesem Merkblatt Fragen haben, wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank:
Für die Freie Hansestadt Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, die Freie und Hansestadt Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, den Freistaat Sachsen, Schleswig-Holstein und den Freistaat Thüringen:
Kontakt:DEUTSCHE BUNDESBANK
Hauptverwaltung in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
Georgsplatz 5
30159 Hannover
Telefon: (0511) 30 33 - 0
Fax: (0511) 30 33 - 27 96
E-Mail: kpz-lfk.hv-bns@bundesbank.de
Für Rheinland-Pfalz, das Saarland und für Nordrhein-Westfalen:
Kontakt:DEUTSCHE BUNDESBANK
Hauptverwaltung in Rheinland-Pfalz und dem Saarland
Hegelstr. 65
55122 Mainz
Telefon: (06131) 3 77 - 0
Fax: (06131) 3 77 - 33 33
E-Mail: kpz-lfk.hv-rs@bundesbank.de
Für Baden-Württemberg und den Freistaat Bayern:
Kontakt:DEUTSCHE BUNDESBANK
Hauptverwaltung in Baden-Württemberg
Marstallstr. 3
70173 Stuttgart
Telefon: (0711) 9 44 - 0
Fax: (0711) 9 44 - 19 21
E-Mail: kpz-lfk.hv-bw@bundesbank.de
Weitere Informationen erhalten Sie auch unter der Internet-Adresse der Deutschen Bundesbank „http://www.bundesbank.de“.
Für eine abschließende Beurteilung möglicher Erlaubnispflichten im Einzelfall wird eine vollständige Dokumentation der vertraglichen Vereinbarungen, die dem Erbringen des Factorings zugrunde liegen, benötigt. In Zweifelsfällen wird die Hauptverwaltung Ihre Frage mit einer Stellungnahme an die Bundesanstalt weiterleiten.
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1 Bericht des Finanzausschusses vom 26.11.2008 (BT-Drucks.--Bundestagsdrucksache 16/11108 vom 27.11.2008), S. 67
2 BGH--Bundesgerichtshof XI ZR 375/00, Urteil vom 16.04.2002
3 Zum Konkurrenzverhältnis zum Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) siehe Abschnitt V
4 Bericht des Finanzausschusses vom 26.11.2008 (BT-Drucks.--Bundestagsdrucksache 16/11108 vom 27.11.2008), S. 67
5 Forderungen an Kunden, die im Wege des Lastschriftverfahrens hätten eingezogen werden sollen, dem Händler durch seine Bank EV--Eingang vorbehalten (Eingang vorbehalten) gutgebracht wurden, dann jedoch, im Regelfall mangels Deckung auf dem Konto des Kunden, dem Händler im Wege Rücklastschrift rückbelastet wurden
6 Siehe auch Bericht des Finanzausschusses vom 26.11.2008 (BT-Drucks.--Bundestagsdrucksache 16/11108 vom 27.11.2008), S. 67
7 Siehe auch das Merkblatt der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG und das Merkblatt der Deutschen Bundesbank über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG